Allmen und der rosa Diamant
ihm zu, weil er gedacht hatte, der Mann blicke in seine Richtung. Aber er sah sich nach der Frau um. »Vanessa!«
Vanessa? Allmen ließ den Namen auf sich wirken und fand, er stehe ihr gut.
Er ging weiter zur Bar und bestellte seinen leichten Imbiss - Erdbeeren mit Sahne und ein Glas Champagner. Von hier aus konnte er Sokolows Strandkorb bequem im Auge behalten.
Außer der Kontaktaufnahme mit dem anderen Russen hatte er nichts Außerordentliches mehr registriert. Sokolow nahm sein Abendessen im Speisesaal ein, trank Bier dazu und wandte seinen Blick nur von seinem Laptop, wenn es nicht zu vermeiden war. Er teilte seine Zeit auf zwischen Strand, Pool und Zimmer.
Es fiel Allmen leicht, seinen Rhythmus anzupassen. Er kam viel zum Lesen, genoss die hervorragende Küche und die immer wieder überraschende Weinkarte und musste nicht einmal auf seine Siesta verzichten, auch wenn sie etwas unruhig und verkürzt geriet. Sokolow war kein anstrengendes Observationsobjekt. Und wenn er ihn mal kurz aus den Augen verlor, konnte er sich sicher auf die Zuverlässigkeit des Empfangs verlassen, der ihn wohl sofort über eine bevorstehende Abreise des Gastes in Suite zweihundertvierzehn informieren würde.
Mit Carlos telefonierte er jetzt über den Apparat in seinem Zimmer. Die Überweisung war bei ihrem letzten Gespräch noch immer nicht eingetroffen. Sie sei unterwegs, habe Montgomery gesagt. Ein Satz, den Allmen nicht gern hörte. Er benutzte ihn selbst zu oft.
Carlos hatte auch berichtet, dass Montgomery die Nachricht, dass Sokolow gefunden sei, mit großer Selbstverständlichkeit zur Kenntnis genommen habe. Dass Carlos nicht sagen wollte, wo der Gesuchte sich aufhalte, habe er akzeptiert und ihn angewiesen, Sokolow weiter zu beschatten. Er werde ihn über die nächsten Schritte informieren.
»Die nächsten Schritte« waren ein Thema, das auch Allmen beschäftigte. Derzeit hatte er noch nicht die leiseste Idee.
Doch nach drei Tagen Stagnation kamen die Dinge von selbst wieder in Gang.
7
Ein frischer Südostwind war aufgekommen und hatte die Wolken vertrieben, die sich den ganzen Vormittag unheilvoll über den weißen Hotelpalästen gewälzt hatten. Das Personal war vom Wetterwechsel überrascht worden und noch dabei, die Strandbar hastig auf Schönwetterbetrieb umzurüsten, als schon die ersten Gäste eintrafen.
Das Meer, das eben noch träge vor sich hin geplätschert hatte, sandte jetzt Wellen an den Strand. Keine Brecher, aber groß genug, um etwas Bewegung in die Möwen zu bringen, die reglos in Reih und Glied auf den Buhnen nach Beute Ausschau gehalten hatten.
Vanessa lag bis zum Kinn zugedeckt ein paar Schritte von ihm entfernt auf einem Badetuch und arbeitete an ihrem Sudoku. Allmen sah ihr gedankenverloren zu.
Plötzlich ließ sie das Buch sinken und schaute ihn an. Zu spät für Allmen, den Blick abzuwenden und zu tun, als hätte er sie nicht beobachtet. Es blieb ihm nichts übrig als ein entschuldigendes Lächeln.
Vanessa erwiderte es strahlend.
Er war noch dabei zu überlegen, wie er darauf reagieren sollte, denn das war kein Lächeln gewesen, auf das man nur mit einem weiteren Lächeln reagierte, als ein Schatten auf ihn fiel. Es war der von Sokolow. Da stand er, in einer schlechtsitzenden Jeans, die ladenneu aussah, und einem noch nie gewaschenen Polo mit Bügelfalten an den kurzen Ärmeln.
»Plötzlich schön«, sagte er.
»Nicht wahr«, antwortete Allmen.
Sokolow überbrückte das Schweigen, das zu entstehen drohte, mit: »Waren Sie schon öfter hier?«
»Nein. Das erste Mal.« Allmen stand auf und reichte ihm die Hand. »Allmen.«
»Sokolow«, erwiderte der Jahrhundert-Diamantendieb und lächelte seinen Observanten freundlich an. Normalerweise hätte Allmen ihm nun einen Stuhl angeboten. Er sah auf die zweiplätzige Bank seines Strandkorbs und sagte: »Ich kann Ihnen ja schlecht diesen Sitz anbieten.«
»Danke«, sagte Sokolow und setzte sich.
Allmen blieb nichts übrig, als sich neben ihn zu setzen.
Der Wind trug Stimmen vom Wasser herüber, verwehte Rufe, Kindergeschrei und Lachen, die die Brandung übertönten und Allmen an die sorglosen Nachmittage in den Schwimmbädern seiner Kindheit erinnerten.
Gerade wollte er auf Russisch sagen: »Sie sind Russe, nicht wahr?« Aber im letzten Moment besann er sich und stellte die Frage auf Deutsch. Vielleicht würde es sich eines Tages als nützlich erweisen, dass er Sokolows Sprache verstand, ohne dass der es wusste.
»Und ich dachte, ich
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