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Allmen und der rosa Diamant

Allmen und der rosa Diamant

Titel: Allmen und der rosa Diamant Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Suter
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hüllte sich in den Frotteemantel und ging die Treppe hinunter und das kurze Stück durch den Regen zum Spa.
    Auch hier öffnete ihm die Zimmerkarte die Tür. Er fand sich in einem warmen Empfangsbereich wieder, wo es nach ätherischen Ölen duftete. Das Licht war gedämpft. Es stammte nur von den beleuchteten Eingängen zu den Saunen, Garderoben, Dampfbädern und Massageräumen. Einer der Durchgänge führte zum Poolbereich.
    Die feuchte Wärme des geheizten Schwimmbeckens, ein diskreter Chlorgeruch und Kinderlärm empfingen Allmen. Es herrschte Hochbetrieb. Offenbar hatten sich die meisten vom Regen vertriebenen Strandgäste hier eingefunden. Allmen fand eine letzte freie Liege und machte es sich bequem. Er las weiter in Daphne du Mauriers Zeitreiseabenteuer, unterbrach die Lektüre aber immer wieder, um unauffällig die Gäste zu beobachten.
    Viele Familien in drei Generationen waren da - Paare mit ihren Kindern und ihren Eltern. Väter, aus deren unnatürlicher Art, mit den Kindern herumzutollen, er schloss, dass sie sonst wenig Zeit mit ihnen verbrachten. Und einige, die reich genug waren, um nicht gut aussehen zu müssen - etwas übergewichtig, etwas schlaff, etwas untrainiert, aber zufrieden mit sich und der Welt.
    Als Allmen wieder einmal von seinem Buch aufsah, entdeckte er Sokolow. Er stand beim Eingang, zog seinen nassen Bademantel aus und warf ihn in einen Korb für benutzte Frottiertücher. Dann ging er zur Dusche.
    Er war ein sehr weißer, sehr hagerer Mann. Vom Bund seiner langen weiten Bermudas wuchs ein gerader Streifen dunkler Haare zum Brustbein und teilte sich dort wie der höchste Punkt einer Fontäne in eine seltsam symmetrische Brustbehaarung.
    Lange blieb Sokolow unter dem warmen Strahl, den Kopf in den Nacken gelegt, die Augen geschlossen wie jemand, der sich die Mühsal des Tages vom Leib spülen will.
    Danach ging er zum Pool und ließ sich ins Wasser gleiten. Allmen bemerkte erst, wie ungeniert er ihn beobachtete, als sich ihre Blicke trafen. Sokolow nickte ihm zu. Diesmal lächelte er ein wenig. Allmen lächelte zurück.
    Sokolow begann zu schwimmen. Allmen ging in das warme Jacuzzi, das durch eine schmale Mauer vom Schwimmbecken getrennt war. Ein paar Kinder mit Schwimmflügelchen plantschten darin, unter den wachsamen Blicken ihrer Eltern. Allmen saß bis zum Hals im aufgewühlten Wasser und linste über den Rand des Jacuzzi zum Pool hinunter, wo Sokolow systematisch seine Bahnen schwamm.
    Plötzlich sah er ihn nicht mehr. Allmen stand auf und watete zum Beckenrand. Dort, direkt unter ihm, stand Sokolow und unterhielt sich mit einem Mann. Allmen zog sich sofort an seinen ursprünglichen Platz zurück. Es dauerte eine Weile, bis Sokolow wieder in sein Blickfeld kam und weiterschwamm. Auf der Treppe, die aus dem Pool hinausführte, sah er einen Mann. Es war der, der am ersten Strandtag so aufmerksam den Kriegsgeschichten des dicken Russen gelauscht hatte. Eine zufällige Begegnung zweier Landsleute? Oder die Kontaktaufnahme zweier Komplizen?
     
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    Sie war sehr rothaarig, mit einem Schimmer von Gold. Die weiße Haut besaß einen fast bläulichen Schimmer. Ihr luftiges, tief ausgeschnittenes Kleid und ihr leichter Schal waren von verschiedenem Grün. Die Zehennägel waren in einem Rot lackiert, das sich mit dem ihrer Haare biss. Sie sah aus, als müsste sie sich und alles an ihr ständig daran hindern, sich in alle Winde zu zerstreuen. Sie war jung, aber man ahnte schon die Spuren, die das Alter hinterlassen würde. Wenn sie in der Sonne lag, deckte sie sich vollständig mit dem Frottiertuch zu, arbeitete konzentriert in einem Sudoku-Buch und bewegte dazu die Lippen. Sie trug viel Gold an Handgelenken und Fingern. Auch der Bügel ihrer Sonnenbrille war goldverziert.
    Allmen beobachtete sie schon seit längerer Zeit von seinem Strandkorb aus. Noch nie hatte sie erkennen lassen, dass sie sich seiner Blicke bewusst war. Sie hätte sich ihnen leicht entziehen können, wenn sie sich bei ihrem Korb aufgehalten hätte, statt ihn nur als Basislager zu benutzen.
    Ihr Begleiter war um vieles älter und hielt sich meist im Strandkorb auf. Allmen sah ihn kurz, als er auf dem Weg zur Bar vorbeischlenderte. Der Mann telefonierte und machte sich Notizen in eine dicke Agenda. Er war untersetzt, schnurrbärtig und vollständig bekleidet, wie seine Begleiterin. Sein einziges Zugeständnis ans Strandleben war die Fußbekleidung. Seine plumpen, nackten weißen Füße steckten in Sandalen.
    Allmen nickte

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