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Alltag auf arabisch: Nahaufnahmen von Kairo bis Bagdad (German Edition)

Alltag auf arabisch: Nahaufnahmen von Kairo bis Bagdad (German Edition)

Titel: Alltag auf arabisch: Nahaufnahmen von Kairo bis Bagdad (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karim El-Gawhary
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einsichtig, warum sich neuerdings jemand darüber aufregt, wenn man von der falschen Seite her in die Einbahnstraße einbiegt, in der dritten Reihe parkt oder sich ohne Licht, Auspuff, Nummernschild, Führerschein und andere in der Verkehrsordnung gebotene Utensilien auf den Weg zur Arbeit macht.
    Der Erfolg der Verkehrsexekutive kann sich sehen lassen: 60 000 ausgehändigte Strafzettel in zwei Tagen und 1600 abgeschleppte Vehikel nach 24 Stunden. Auch den Fußgängern bläst ein schärferer Wind entgegen. Schnell waren am Tatort Innenstadt die ersten 4000 Strafzettel für unbotmäßige Straßenüberquerung ausgehändigt. Dass das Rot der Ampeln eine tiefere Bedeutung hat als gemeinhin angenommen, trifft bei vielen noch auf demütige Einsicht. Mit dem Verbot, diagonal über die Kreuzung zu gehen, schlugen die Freunde und Helfer aber dann doch etwas über die Stränge.
    Überhaupt machte sich nach den ersten Tagen ein leichtes Murren breit. Die Staus sind aufgrund der Kontrollen länger geworden, und so mancher zweifelte auch am langfristigen Erziehungseffekt der Aktion. „Verkehrsbewusstsein kann nicht in zwei Wochen geschaffen werden. Wir müssen in der Schule, der Familie, im Fernsehen und in Zeitschriften für Kinder und Erwachsene damit beginnen“, heißt es in einem Kommentar in der Regierungszeitung Al-Ahram . Für andere wiederum ist die „Woche des Verkehrs“ nur eine etwas größer angelegte Kampagne, um die Unkosten der Verkehrsüberwachung für das letzte Jahr zu decken.
    Khalid Hilmi, einer der verantwortlichen Polizeioffiziere vor dem ägyptischen Nationalmuseum im Zentrum Kairos, kämpft mit seinen Männern seit sechs Uhr morgens standhaft gegen das allgemeine Chaos an. Ihre einzige, aber schier übermenschliche Herausforderung: Sie sollen die Fußgänger davon überzeugen, doch bitte den Zebrastreifen zu benützen und nicht ausgerechnet an der Stelle über die Straße zu gehen, wo sich über vier Einfallstraßen die Autoströme auf den Platz ergießen.
    Doch die Kämpfer für korrektes Verkehrsverhalten wirken etwas müde. „In den ersten Tagen waren wir sehr strikt“, erklärt Hilmi, „jetzt versuchen wir es mehr mit Höflichkeit.“ – „Wo willst du hin?“, fragt etwa einer seiner Untergebenen freundlich einen Mann, der gerade zur Überquerung der Todeskreuzung ansetzt. „Auf die andere Seite natürlich“, antwortet dieser verwundert. Die simple Antwort schien den Polizisten sofort zu überzeugen. Er zündete dem Verkehrssünder eine Zigarette an, worauf dieser unbehelligt weiter seines verbotenen Weges zog.
    Nachtrag: Zu Beginn des neuen Jahrtausends versuchte die Kairoer Verkehrsverwaltung das Steuer noch einmal herumzureißen. Im Januar 2000 trat Ägyptens neue Straßenverkehrsordnung in Kraft. Nach den Buchstaben dieses ambitionierten Werkes gibt es jetzt heftige Strafen für das Überfahren einer roten Ampel, für Fahren ohne Licht, unmotiviertes Hupen und das Beschimpfen von anderen Verkehrsteilnehmern. Gleiches droht dem, der seinen Aschenbecher auf die Straße kippt. Daneben soll auch die öffentliche Moral gewahrt bleiben. Wenn Pärchen knutschend auf dem Autositz erwischt werden, kann ihr Wagen konfisziert werden. Der wirkliche Horror für die Ägypter war allerdings die Einführung von Zubehör wie Sicherheitsgurten und Motorradhelmen. „Was soll all dieser unnütze europäische Sicherheitskram“, lautete der erste Kommentar eines professionellen Fahrers. Besonders ärgerte ihn, dass die Preise dieser Utensilien, die bisher auf dem Kairoer Autobazar nur Ladenhüter waren, sich unter dem Diktat von Angebot und Nachfrage verdreifacht hatten.
    In der ersten Woche wurden 124 000 Strafzettel ausgestellt. 16 869 Autos wurden als Geisterfahrer auf Einbahnstraßen gestoppt, 60 347, weil sie von ihrer Hupe exzessiven Gebrauch gemacht hatten. Der Rest hatte sich anderer Kleinigkeiten schuldig gemacht. Doch schon wenige Monate danach herrschte bereits wieder das Gewohnheitsrecht auf den Straßen, die Polizei hatte kapituliert. „Wovon sprichst du überhaupt?“, fuhr ein Motorradfahrer aus dem ländlichen Oberägypten einen Verkehrsbeamten an. „Willst du wirklich, dass ich meinen Turban für so einen blöden Helm abnehme?“ Gurt und Helmpflicht werden inzwischen wieder wesentlich entspannter gehandhabt. Viele Autos versuchen mit schwarzen elastischen Gummibändern, die den Gurten täuschend ähnlich sehen, den Schein zu waren. Motorradfahrer schwindeln sich mit einfachen

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