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Alltag auf arabisch: Nahaufnahmen von Kairo bis Bagdad (German Edition)

Alltag auf arabisch: Nahaufnahmen von Kairo bis Bagdad (German Edition)

Titel: Alltag auf arabisch: Nahaufnahmen von Kairo bis Bagdad (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karim El-Gawhary
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einen Albtraum verwandelt. Sie stehen zwischen zahlreichen Fronten: Schießwütige verängstigte US-Truppen könnten glauben, man sei ein Selbstmordattentäter. Die irakischen Aufständischen könnten einen jederzeit aufgreifen und der Spionage für den Feind bezichtigen. Jede Straßensperre – ob mit US-Militärs oder irakischen Polizisten – zerrt an den Nerven. Ein Besuch einer Regierungspressekonferenz könnte von der anderen Seite beobachtet werden. Das Gerücht, mit den Amerikanern zu kollaborieren, könnte für einen irakischen Journalisten einem Todesurteil gleichkommen. Medienkritik an den arabischen Kollegen wird schnell mit Schüssen aus einem vorbeifahrenden Auto betrieben, wie es einem Fernsehreporter von Scharqiya-TV passiert ist. Diese Zensur mit Waffengewalt kostete allein 2007 mindestens 47 Journalisten und neun ihrer Assistenten das Leben, die überwiegende Mehrheit irakische Kollegen. Die Hälfte der Morde fand trotz der dortigen Verstärkung der US-Truppen in Bagdad statt.
    Die rund 50 Zeitungen im Land müssen sich gut überlegen, was sie veröffentlichen. Nur zwei von ihnen, Al-Mada und Al-Zaman , nennen sich unabhängig. Der Rest sind Partei- und Milizblätter. Aber auch Al-Mada schreibt nichts offen Kritisches gegen die schiitischen Mahdi-Milizen, aus Angst, von deren Kämpfern Besuch zu bekommen. Wegen ihrer täglichen kritischen Berichterstattung gegen die sunnitische Al-Kaida sind bereits mehrere Katjuschas in der Al-Mada -Redaktion eingeschlagen und Chefredakteur Fakhr Karim entkam zwei Mordversuchen. Ein Reporter der Zeitung erhielt Todesdrohungen, nachdem er über Korruptionsfälle in einem irakischen Ministerium berichtet hatte. Er wandte sich an das Innenministerium und erhielt dort den schlichten Rat: „Verlasse das Land.“
    Arbeitsbedingungen im Irak werden bestimmt von einer Art Guerilla, die ausländische Journalisten als westliche Propagandainstrumente ansieht, und von den Amerikanern, für die jeder arabische Journalist ein potenzielles Sprachrohr der Aufständischen darstellt. Es gibt für ausländische Journalisten die Möglichkeit, in die nördlichen, relativ ruhigen kurdischen Gebiete zu fahren und von dort wenigstens mit irakischer Ortsmarke über das gesamte Land zu berichten. Oder sich von den Amerikanern einbetten zu lassen und sich auf der Seite einer Kriegspartei in wenig objektiver Sicherheit zu wiegen. Oder eben nur im Hotelzimmer auszuharren, die Meldungen der Nachrichtenagenturen abzuschreiben und mit ein paar Leuten zu telefonieren. Das alles hat mit ernsthafter Recherche nur mehr wenig gemein, und das Wagnis wird so schnell sinnlos.
    Dazu kommt, dass bei den Lesern und Zuschauern nach all den Jahren voll Horrorgeschichten aus dem Zweistromland eine gewisse Irakmüdigkeit eingetreten ist. Der Horror ist paradoxerweise in gleichem Maße größer geworden, wie das öffentliche Interesse abgenommen hat. So stirbt der Irak einen langsamen journalistischen Tod. Wiederbeleben können ihn am Ende nur die Iraker selbst, auch indem sie wieder eine Situation der relativen Sicherheit schaffen, in der auch Journalisten das Land durch ihre Geschichten wieder mit Leben füllen.
    Zwei Fernseher, zwei Welten, derselbe Krieg
    (Amman, den 24. März 2003)
    Der Irakkrieg ist in vollem Gange. Zwei Fernseher stehen nebeneinander. Einer zeigt das laufende Programm des US-Nachrichtensenders CNN, der andere ist auf den arabischen Sender Al-Dschasira eingestellt: Man bekommt schnell den Eindruck, dass beide von verschiedenen Ereignissen berichten. Zwei Geräte, zwei Welten.
    Die CNN-Berichterstattung basiert vor allem auf den eingebetteten Journalisten, also jenen, die sich mit und kontrolliert von den amerikanischen oder britischen Truppen im Irak bewegen. Sie liefern meist Frontberichte aus den eigenen Linien und filmen ihre Einheit beim Beschuss eines entfernt eingegrabenen anonymen Gegners. Es gibt keinen einzigen eingebetteten arabischen Journalisten. Meist arbeiten sie auf der anderen Seite, aber keiner von ihnen hat sich mit den irakischen Truppen eingegraben. Die irakische Armee erliegt hier noch immer dem traditionellen Grundsatz „Medien gefährden die nationale Sicherheit“.
    Die meisten arabischen Journalisten arbeiten in den Städten Bagdad, Basra und Mosul. Und das staatlich kontrollierte irakische Fernsehen wird je nach Bedarf herangezogen, das heißt, wenn es für die irakische Seite Bedeutendes zu vermelden gibt, aus dem sie glaubt propagandistischen Nutzen ziehen zu

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