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Alltag auf arabisch: Nahaufnahmen von Kairo bis Bagdad (German Edition)

Alltag auf arabisch: Nahaufnahmen von Kairo bis Bagdad (German Edition)

Titel: Alltag auf arabisch: Nahaufnahmen von Kairo bis Bagdad (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karim El-Gawhary
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vorgeführt würden. Es geht nicht um Nacktheit und Sexualität, sondern um Demütigung. Die Fotos füttern das arabische Gefühl, ständig von einem arroganten Amerika erniedrigt zu werden.
    Und die Methode, den Feind mit „Nacktheit vor dem Sieger“ zu demütigen, ist dabei so alt wie der Krieg selbst. Es gibt kaum ein Bild, das weltweit, egal in welcher Kultur, nicht die gleiche entwürdigende Botschaft aussenden würde. Die Verletzung der Menschenwürde lässt sich kaum globaler ausdrücken. Alles allein auf die kulturelle Schiene zu schieben, nach dem Motto „In der stolzen, machodominierten arabischen Welt ist das besonders schlimm“, ist Themaverfehlung. Mehr als das: eine Fehlinterpretation, die das übliche Bild von der islamischen Welt bedient.
    Interessanter ist da ein anderer Vergleich. Die Fotos haben sowohl in den USA als auch in der arabischen Welt zu einem Aufschrei geführt. Aber der Boden, auf den die Botschaft fiel, könnte kaum unterschiedlicher sein. In den USA rütteln die Bilder am Selbstbild und an der Vorstellung, wie die eigene Armee agiert. Der Überraschungseffekt ist groß. Die Enthüllung wirkt desillusionierend.
    In der arabischen Welt bestätigen die Fotos dagegen alle Vorurteile, die von Amerika, den Amerikanern und der Besatzungsarmee ohnehin schon existieren. „Wir haben es schon immer gewusst“, war der erste arabische Reflex. Denn Artikel und Berichte über systematische Folter in den amerikanischen Gefängnissen im Irak kursierten in den arabischen Medien bereits seit langem. Berichte von amnesty international und dem Internationalen Roten Kreuz bestätigen, dass es sich dabei nicht um arabische Verschwörungstheorien handelte.
    Dass die Bilder zu einer weiteren Radikalisierung in der arabischen Welt führen und für Al-Kaida eine glänzende PR abgeben, die kein Bin-Laden-Video jemals ersetzen kann, ist der logische Schluss. Aber die Radikalisierung hat schon längst zuvor wegen des Palästinakonfliktes und des Irakkrieges eingesetzt. Den Glauben an die humane und freundliche Besatzung haben die Araber schon lange vor diesen Bildern verloren.
    Da hilft es auch nicht, dass US-Präsident Bush öffentlich Asche auf sein Haupt streut. Und auch die Militärtribunale gegen die inzwischen durch die Fotos überführten US-Soldaten dürften die Wogen kaum glätten. Wenn schon verbal entschuldigen, kommentiert eine arabische Zeitung, dann sollte Bush das auch bei den eigenen Landsleuten tun – dafür, dass er durch den Irakkrieg das Image Amerikas in der arabischen Welt endgültig ruiniert hat.
    Gesucht: Sündenbock – Ausländische Medien zerstören das Image
    (Kairo, den 24. Januar 1993)
    „Hier bin ich – du wolltest mich doch umbringen“, sagte ich zu meinem verdutzten Gegenüber von der Reiseagentur „Blauer Himmel“ in der Kairoer Innenstadt. Das zumindest hatte ich von einer schwedischen Kollegin gehört: Ein gewisser Herr dort würde gerne einem deutschen Journalisten den Hals umdrehen. Seine Hauptbeschäftigung war gerade, Stornierungen zu bearbeiten. Fast die Hälfte aller deutschen Urlauber hatten ihre Buchungen in das Land am Nil Ende letzten Jahres zurückgezogen. Meldungen von Überfällen militanter Islamisten auf Touristenbusse hatten sie veranlasst, das Weihnachtsfest lieber unter dem heimatlichen Tannenbaum zu verbringen. Bei mir zu Hause häuften sich Anrufe von Bekannten mit der besorgten Frage, ob es eigentlich noch sicher sei, nach Ägypten zu reisen.
    Haben auch ausländische Journalisten mit ihren Berichten über die Anschläge ihr Scherflein zu dieser Stornierungsmisere beigetragen? Davon zumindest sind die meisten Ägypter überzeugt, die auf die eine oder andere Weise ihren Lebensunterhalt mit dem Urlaub anderer Leute bestreiten. Und das sind nicht wenige. Hotelportiers, Taxifahrer, Basarverkäufer oder Reiseführer – sie alle sehen ihre Felle langsam davonschwimmen. Jeder zehnte Arbeitsplatz in Ägypten hängt direkt oder indirekt vom Tourismus ab. Ein ungemütlicher Gedanke, in ihren Augen plötzlich als Korrespondent „westlicher“ Medien von einem Beobachter zu einem politisch Handelnden zu werden. Womöglich könnte man mich dafür verantwortlich machen, dass so mancher ägyptische Überlebenskämpfer seine Familie morgen nicht mehr ernähren kann.
    Die ägyptischen Medien tun das Ihre, in alter Manier andere für den ganzen Schlamassel verantwortlich zu machen. Die Terroristen seien vom Iran oder Sudan gesteuert, und ohne westliche

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