Alltag auf arabisch: Nahaufnahmen von Kairo bis Bagdad (German Edition)
zu schaffen, als drinnen das Telefon klingelte und prompt geantwortet wurde. Al-Ezaby konnte das Weite suchen, bevor er dem Polizeigeneral gegenüberstand. Ein sicheres Zeichen, dass Gott mit ihm zufrieden war. Sein Tipp an die Jugend heute: Klaut nur mit dem richtigen islamischen Bewusstsein und wendet nie Gewalt an. Und auch für die Beklauten hat er einen Ratschlag übrig: Hört um Gottes Willen auf, euren Schmuck durch Anzeigen in den großen Tageszeitungen anzubieten.
Mit dem Skalpell an Allahs Werk herumschnitzen
(Kairo, den 13. Mai 1996)
Madame Fifi nimmt sich des abgesplitterten Lackes, des Fingernagelbettes und der Schwielen an den Zehen an. Madame Sisi reißt mit einer klebrigen Mischung aus Zucker und Zitronensaft den Haaransatz an Armen, Beinen und der Scham ab. Nach dreistündiger Behandlung kassiert Madame Lucy schließlich gnädig ab. Lucys Schönheitssalon ist einer von Hunderten, in dem die gelangweilte weibliche und männliche Oberschicht Kairos nach Schönheit sucht.
Schon die Pharaonen wussten von den Möglichkeiten, durch einige gekonnte Handgriffe ihr herrschaftliches Antlitz aufzubessern. Heute frönt durchaus nicht nur die verwestlichte ägyptische Elite den Möglichkeiten liebreizender Wohlgestaltung. So manche Kundin des Schönheitssalons wirft sich anschließend den Schleier über, um sich den lüsternen Blicken der Öffentlichkeit zu entziehen.
Doch seit einigen Jahren machen die ägyptischen AnhängerInnen von Anmut, Reiz und Herrlichkeit nicht bei den Methoden Madame Lucys halt. „Plastische Chirurgie“ lautet das neue Zauberwort. Als Dr. Ala Gheita als erster Schönheitschirurg Ägyptens vor 15 Jahren seine Praxis aufmachte, beschäftigte er sich zunächst zu 80 Prozent damit, die Gesichter von Unfallopfern wieder ansehbar zu machen. Heute wollen 80 Prozent seiner Kunden schöner werden.
Die Methoden reichen vom Facelifting über Fettabsaugen bis zum Laserstrahl, der angeblich präzise die oberste Schicht der pickelgegerbten Gesichtshaut abzieht. (Wer diese Methode über sich ergehen lässt, ist leicht an der zeitweise schweinchenrosa schimmernden Haut zu erkennen.) Nichts scheint für die 120 praktizierenden Schönheitschirurgen im Land am Nil mehr ausgeschlossen. „Ein gut aufgetragenes Make-up kann eine Frau bis zu fünf Jahre jünger erscheinen lassen, bei einer Schönheitsoperation kann sie auch schon einmal zwanzig Jahre jünger erscheinen“, propagiert ein ägyptischer Chirurg.
Nicht alle stimmen da zu. Vor allem im religiösen Establishment macht sich Murren breit. Vor wenigen Monaten ging der damalige Mufti und heutige Großscheich der islamischen Azhar-Universität, Muhammad Sayyid Tantawi, warnend an die Öffentlichkeit. Schönheitsoperationen widersprächen den religiösen Prinzipien. Derartiges verändere das Bild Gottes. „Soll ich vor jeder Operation den Rat der religiösen Rechtsgelehrten konsultieren?“, fragte Dr. Gheita anschließend in der Presse den Mufti. Schließlich finde sich im Koran kein Hinweis auf die Schönheitschirurgie.
Den potenziellen Kundinnen bleibt die Qual der Wahl zwischen dem allzu menschlichen Wunsch, verführerisch zu wirken, und dem unermüdlichem Streben, nicht die Gnade Gottes zu verwirken.
Das lukrativ boomende Geschäft mit der Schönheit zeigt, dass so manche/r schließlich der Verlockung nicht widerstehen kann. Am Ende erscheint der Drang nach Grazie und Ebenmaß dann aber doch als Trug. „Was von außen oh, là là! – kennt von innen nur Allah“, hat die ägyptische Volkszunge gedichtet.
Nachtrag: Ein Jahrzehnt später waren es militante Islamisten im Irak, die ihre Abneigung gegen jeglichen Schönheitseingriff auf brutale Weise zum Ausdruck brachten. Eine Frau im Irak zu verschönern kann das Leben kosten. Radikale Sunniten oder schiitische Milizen sehen Frauen mit Make-up und frisch gemachten Frisuren als Bedrohung für ihre Art von Moralvorstellung.
Umm Doha musste mit ihrem Schönheitssaloon in Bagdad in den Untergrund gehen, nachdem ihr alter Laden im Westen der irakischen Hauptstadt 2006 in die Luft gesprengt worden war. Seitdem bietet sie ihre Dienste nur noch heimlich zu Hause an. Sie hat Glück gehabt. In mehreren Fällen wurden Friseusen umgebracht oder sie legten ihre Scheren, Bürsten und das Nagellack- und Wimperntuschensortiment nieder, nachdem sie Todesdrohungen erhalten hatten. Doch die meisten machen heimlich weiter, da sie auf ihr Einkommen nicht verzichten können. Ihre Stammkundschaft ist dabei
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