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Alltag auf arabisch: Nahaufnahmen von Kairo bis Bagdad (German Edition)

Alltag auf arabisch: Nahaufnahmen von Kairo bis Bagdad (German Edition)

Titel: Alltag auf arabisch: Nahaufnahmen von Kairo bis Bagdad (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karim El-Gawhary
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Journalisten wäre das Ganze wahrscheinlich gar nicht aufgefallen, heißt es. Ihre Berichte über Attacken auf Touristen seien oft sensationell aufbereitet, „überberichtet“ und übertrieben, lautete der Vorwurf. Den Höhepunkt erreichte die Kampagne gegen die ausländische Presse, als die britische Nachrichtenagentur Reuters endgültig zum roten Tuch der ägyptischen Medien avancierte. „Reuters’ Groll gegen Ägypten und seinen Präsidenten ist offen ausgebrochen“, war in einem der hiesigen Blätter zu lesen.
    Doch zurück zu meinem potenziellen Mörder aus der Reiseagentur. Etwas peinlich berührt über seine großen Worte vom Vortag, erwies er sich als völlig friedlich. Schnell waren wir uns einig, dass man auf Berlins Straßen gefährlicher lebt als hier – als Ausländer allemal.
    Die Frage bleibt: Wie soll über die Angriffe auf Touristen berichtet werden? Die Antwort liegt wohl irgendwo zwischen dem spontanen „am besten gar nicht“ meines neuen Freundes in der Reisebranche und Sensationsberichten mit dem Titel „Muslime killen Urlauber“.
    Der Unmut über westliche Journalisten trägt inzwischen seine ersten Früchte. Als meine schwedische Kollegin unlängst auszog, um über einen Anschlag auf einen Touristenbus auf der Kairoer Pyramidenstraße zu recherchieren, musste sie schon bald erkennen, dass die übliche Leichtigkeit, mit jedem ins Gespräch zu kommen, deutlich gelitten hat. Mafisch muschkela – alles kein Problem, erklärten ihr die sichtlich unterbeschäftigten Papyrusverkäufer kurz angebunden vor dem nur mäßig besuchten Ägyptischen Nationalmuseum Altägyptischer Kunst. Als der Parkplatzwärter ihr ein rhythmisches „Reuters – Reuters – Reuters“ hinterherrief, machte sie sich frustriert auf den Heimweg.
    Nachtrag: Die Paranoia gegen ausländische Journalisten oder Mitarbeiter ausländischer Medien hat sich in Ägypten in den letzten Jahren noch verstärkt. Die Regierung hat es über Jahrzehnte geschafft, mit Hilfe der von ihr kontrollierten staatlichen Medien den Ägyptern einzuimpfen, dass eine Kritik an der Regierung einer Rüge für das ganze Land gleichkommt. „Sie wollen das Image Ägyptens ruinieren“, lautet das stets wiedergekäute Argument, das viele Ägypter verinnerlicht haben. Weswegen sich auch, sobald nur eine Kamera ausgepackt wird, an jeder Straßenecke in Kairo sofort ein selbsternannter Hilfssheriff einfindet, der das Filmen untersagt. Groß ist auch die Angst, einem Journalisten etwas zu sagen, was bei den Herrschenden Missfallen erregen könnte. Ein klassisches Beispiel: Als ich zum zehnten Jahrestag des Touristenmassakers in Luxor den Besitzer eines kleinen Souvenirstandes in der Nähe des Hatschepsut-Tempels fragte, wie seine Geschäfte ein Jahrzehnt nach dem Anschlag laufen, rannte der schnurstracks zum nächsten Polizeioffizier, um sich zu erkundigen, ob es in Ordnung gehe, wenn er mit einem Journalisten spreche. Im typischen Sicherheitsreflex antwortete der Polizist erwartungsgemäß mit „Nein“. Ein weiterer Klassiker: Denn ein „Ja“ würde heißen, für die Folgen verantwortlich zu sein, während man in Ägypten mit einem „ Nein“ immer auf der sicheren Seite steht. Ein absurder Mechanismus, der in jedem Büro dazu führt, dass selbst die Entscheidung, Bleistifte zu kaufen, vom Geschäftsführer getroffen wird. Keiner traut sich, die Verantwortung für den Kauf des Schreibwerkzeuges zu übernehmen. Diese Art des „ägyptischen Entscheidungsprozesses“ lässt sich auch auf dem oft heißen Boden der Politik beobachten. Der recherchierende Journalist sieht sich einem perfiden System der Informationsverhinderung gegenüber.
    In den letzten Jahren werden die ausländischen Medien in der arabischen Welt mit zunehmendem Misstrauen betrachtet, weil sie unter kulturellen und religiösen Gesichtspunkten zum Denkschema des „Wir gegen die“ und „Die gegen uns“ gehören. Westliche Medien werden als Instrument im „Kreuzzug gegen die Muslime“ verstanden. Ein Verständnis, das übrigens in so mancher westlichen Redaktion ihre Entsprechung findet. Ich erinnere mich an ein SAT 1 Live-Gespräch, in der sich der Moderator nicht entblödete, mich mit der Frage zu konfrontieren: „Herr Gawhary – erklären Sie uns, wie sehr hassen die Muslime uns wirklich?“ Übrigens besteht durchaus auch auf dieser Seite so mancher Argwohn gegen die eigenen Journalisten, die bereits lange als Korrespondenten in der Region tätig sind und dadurch als

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