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Alltag auf arabisch: Nahaufnahmen von Kairo bis Bagdad (German Edition)

Alltag auf arabisch: Nahaufnahmen von Kairo bis Bagdad (German Edition)

Titel: Alltag auf arabisch: Nahaufnahmen von Kairo bis Bagdad (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karim El-Gawhary
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„wegen der ständigen Explosionen“.
    Ahmad Bardschabi, ein Berufsschüler aus Berlin-Kreuzberg, wollte eigentlich nur mal einen Tapetenwechsel in seinen Schulferien. Genau am Tag des Kriegsbeginns war er im Südlibanon angekommen, um seine Familie zu besuchen. „Es war die Hölle. Vor allem nachts ging immer die Post ab“, sagt er. „Jeden Tag haben wir im Keller übernachtet, dann hörten wir die Flugzeuge, und dann die Explosionen.“ Er ist heilfroh, raus aus dem Kampfgebiet zu sein. Er hofft, so schnell wie möglich mit Hilfe der deutschen Botschaft nach Damaskus und von dort wieder ins sichere Berlin reisen zu können.
    Die Reise geht weiter über die nächste Hügelkette. Die Dörfer hier sind vollkommen ausgestorben. Es herrscht eine unheimliche Stille, die nur vom Klang der immer wiederkehrenden Explosionen unterbrochen wird – manchmal weit weg, manchmal bedenklich nahe. Es ist der Soundtrack des Krieges.
    Im ersten Dorf, Habusch, wurde die Brücke über den Bach bombardiert. An der Hauptkreuzung sind alle Gebäude von der Druckwelle zerstört, die benachbarte Schule hat keine Fenster mehr. Die Reihe der Palmen entlang der Dorfstraße, wohl einst Zierde des Dorfes, besteht nur noch aus verkohlten Baumstümpfen. Schnell werden die politischen Loyalitäten dieses Dorfes deutlich. Mitten auf der Kreuzung steht ein verbeultes Schild mit dem Bild von Hisbollah-Chef Hassan Nasrallah. „Seine Mission ist es, den Widerstand aufrechtzuerhalten“, heißt es darauf. Der Rest ist weggebombt.
    Nur noch sehr wenige Menschen sind geblieben. Ein Mann versucht seinen verwüsteten Laden aufzuräumen. Zwei andere, offensichtlich Techniker, sind den Strommast hinaufgeklettert und versuchen die herunterhängende Leitung zu reparieren. Ein Auto bremst. Der Fahrer kommt aus der benachbarten Kleinstadt Nabatiyah. „Noch am Morgen war es bei uns ganz ruhig“, erzählt er. Als er dann gerade sein Auto betanken wollte, kamen die Flugzeuge – und mit ihnen die Bomben. „Es gab nur Zivilisten an dieser Stelle, keine bewaffneten Hisbollah-Leute“, versichert er. „Allein da, wo ich stand, gab es vier Verletzte. Wann übernimmt die internationale Gemeinschaft hier endlich Verantwortung und stoppt diesen Wahnsinn?“, fragt er ärgerlich. Dann fährt er davon, in sichereres Gebiet.
    Ein paar Hügelketten weiter in die andere Richtung: die Kleinstadt Nabatiyah taucht auf. Ein israelischer Kampfjet fliegt über die Stadt, aus der Ferne sind immer und immer wieder Explosionen zu hören. Die Stadt ist fast ausgestorben. Der Markt im Stadtzentrum ist zerstört, vom „Moonlight Café“ ist ebenso wenig übrig wie vom kleinen Laden des Obsthändlers nebenan. Zwischen den Trümmern leuchten ein paar aufgesprungene Melonen. Das Handygeschäft daneben ist ausgebrannt, von dem dreistöckigen Haus dahinter steht nur noch das Skelett. Vom Gebäude daneben ist die Fassade weggesprengt – man sieht wie in einem Puppenhaus, wie seine Bewohner gelebt haben. Neben der rosa gefliesten Badezimmerwand steht unversehrt die Toilettenschüssel. Bizarr ragt sie nun über die Klippe, die einmal eine Wohnung war.
    Im Krankenhaus von Nabatiyah liegen die Opfer der Bombardements. Zivilisten, keine Hisbollah-Milizionäre. „Die meisten Schwerverletzten konnten inzwischen nach Beirut transportiert werden“, erzählt der behandelnde Arzt und führt uns zu Mariam, die mit verbundenen Beinen auf ihrem Bett liegt. Die 80-Jährige ist zu schwach für den Transport nach Beirut. „Ich habe geschlafen“, erinnert sie sich an den Angriff. „Ich bin durch eine Explosion aufgewacht – da ist auch schon das ganze Zimmer auf mich eingestürzt.“ Ihre Schwester hat sie aus den Trümmern ausgegraben und ins Krankenhaus gebracht.
    Ein Zimmer weiter liegt Ali Rida mit einem verbundenen Oberschenkel. Der Arzt lässt den Granatsplitter von der Größe einer halben Untertasse bringen, der aus dem Bein des Neunjährigen operiert wurde. „Ich habe mit meinen Cousins zu Hause Domino gespielt, als es geknallt hat und plötzlich etwas auf uns gefallen ist“, erzählt Ali. Dann habe er dieses Brennen im Bein gespürt. „Wir waren kurz davor, sein Bein zu amputieren, aber Ali hat Glück gehabt“, erklärt der Arzt.
    Andere Kinder nicht, fügt er hinzu: „Wir hatten ein Kind, das beide Beine verloren hat. Es ist heute morgen nach Beirut gebracht worden.“ Dann stockt er, sieht seinen Assistenten und die Krankenschwester an. „Keiner von uns hat es übers Herz

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