Allwissend
Bennington war der fähige und gewissenhafte Leiter des Kriminallabors von Monterey County. »Aber er hat nichts gefunden. Jedenfalls nicht laut seinem vorläufigen Bericht. Die einzigen Fingerabdrücke stammen von dem Trooper. Außer Sand und Erde gab es keinerlei Partikel. Das Kreuz wurde aus den Zweigen eines Baumes und Blumendraht gefertigt. Das Schild mit dem Datum darauf sieht so aus, als wäre es aus einem größeren Stück Pappe ausgeschnitten worden. Die Tinte ist handelsüblich, die Ziffern und Buchstaben in Blockschrift geschrieben. Das hilft uns nur weiter, falls wir es mit der Schriftprobe eines Verdächtigen vergleichen können. Hier ist übrigens ein Foto des Kreuzes. Das Ding sieht ganz schön unheimlich aus. Wie aus Blair Witch Project, Sie wissen schon.«
»Guter Film«, sagte TJ, und Dance wusste nicht, ob das als Scherz gemeint war oder nicht.
Sie sahen sich das Foto an. Das Kreuz wirkte tatsächlich unheimlich; die Äste erinnerten an verdrehte schwarze Knochen.
Die Spurensicherung konnte ihnen keinerlei Informationen liefern. Dance kannte einen Fachmann, mit dem sie vor nicht allzu langer Zeit zusammengearbeitet hatte, Lincoln Rhyme, ein privater forensischer Berater in New York City. Ungeachtet seiner Querschnittslähmung galt er als einer der besten Tatortspezialisten des Landes. Sie fragte sich, ob er anstelle von Bennington wohl etwas Hilfreiches gefunden hätte. Vermutlich ja. Doch die vielleicht grundlegendste Regel der Polizeiarbeit lautete: Du musst dich mit dem begnügen, was du hast.
Ihr fiel etwas auf dem Foto auf. »Die Rosen.«
O'Neil begriff, was sie meinte. »Die Stängel sind auf gleicher Länge abgeschnitten.«
»Richtig. Also stammen sie wahrscheinlich aus einem Geschäft, nicht aus irgendeinem Garten.«
»Aber, Boss«, wandte TJ ein, »man kann an ungefähr tausend Orten auf der Halbinsel Rosen kaufen.«
»Ich behaupte ja auch nicht, dass wir dadurch direkt zum Täter geführt werden«, sagte Dance. »Ich meine nur, dass diese Information eventuell noch nützlich sein könnte. Und zieh keine voreiligen Schlüsse. Womöglich wurden die Blumen ja gestohlen.« Sie war schlecht gelaunt und hoffte, dass man es ihr nicht anmerkte.
»Alles klar, Boss.«
»Wo genau hat dieses Kreuz gestanden?«
»Am Highway Eins. Unmittelbar südlich von Marina.« An der Wand hing eine Landkarte. Der Beamte zeigte auf die entsprechende Stelle.
»Hat jemand gesehen, wie das Kreuz aufgestellt wurde?«, fragte Dance den Deputy.
»Nein, Ma'am, jedenfalls nicht laut der CHP Und auf diesem Teilstück des Highways gibt es keine Kameras. Wir suchen weiter.«
»Was ist mit den Läden?«, fragte O'Neil, als Dance Luft holte, um genau die gleiche Frage zu stellen. »Den Läden?«
O'Neil schaute auf die Karte. »Auf der Ostseite der Fahrbahn. In diesen Einkaufspassagen. Manche der Geschäfte haben Überwachungskameras. Vielleicht war eine auf die fragliche Stelle gerichtet. Wir könnten zumindest die Marke und das Modell seines Wagens erfahren - falls er mit einem Wagen unterwegs war.«
»TJ«, sagte Dance. »Kümmere dich darum.«
»Mach ich, Boss. Da gibt es ein gutes Java House. Einer meiner Lieblingskaffeeläden.«
»Das freut mich für dich.«
Ein Schatten erschien im Eingang. »Ah. Ich wusste nicht, dass wir uns hier treffen wollten.«
Charles Overby, der kürzlich ernannte Leiter dieser CBI-Dienststelle, trat ein. Er war Mitte fünfzig und sonnengebräunt. Trotz seiner birnenförmigen Statur war er sportlich genug, um sich mehrmals wöchentlich auf Golf- oder Tennisplätze zu wagen, wenngleich jeder längere Ballwechsel ihm den Atem raubte.
»Ich bin schon seit... na ja, einer ganzen Weile in meinem Büro.«
Dance ignorierte TJs verstohlenen Blick auf die Uhr. Sie nahm an, dass Overby erst vor wenigen Minuten eingetroffen war.
»Charles«, sagte sie. »Guten Morgen. Ich habe womöglich vergessen, den Ort zu erwähnen. Entschuldigung.«
»Hallo, Michael.« Dann ein Nicken in TJs Richtung, den Overby mitunter neugierig musterte, als hätte er ihn noch nie zuvor gesehen - obwohl er damit vielleicht einfach nur sein Missfallen über TJs Modegeschmack zum Ausdruck bringen wollte.
Dance hatte Overby sehr wohl von der Besprechung in Kenntnis gesetzt. Auf der Fahrt vom Peninsula Garden Hotel zum CBI hatte sie ihm eine Nachricht auf der Mailbox hinterlassen, dabei die beunruhigende Neuigkeit erwähnt, dass es in Los Angeles eine Immunitätsanhörung geben würde, und ihm die Zusammenkunft
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