Alpendoener
ein
bisschen größer, ein bisschen mehr Wirtschaft. Die Frau Kemal wartete auf ihn,
und Birne fragte sich, wer denn ihren Laden gerade hütete.
»Unser ältester Sohn kann das übernehmen. Kann ich Ihnen
meinen Bruder vorstellen?« Frau Kemals Bruder war groß und stämmig, hatte
riesige Augenbrauen und ein lachendes Gesicht. Er trug ein schwarzes Unterhemd
und eine dicke Kette darüber. Birne mochte ihn irgendwie.
»Hallo«, sagte er mit lauter Stimme und deutete
auf einen Tisch mit drei Stühlen. »Setzt euch, ich komm gleich.«
Frau Kemal sagte leise, als ob es niemand hören dürfte. »Mein
Bruder hat eine deutsche Frau, sie hilft manchmal hier im Geschäft, sonst geht
sie zur Arbeit.«
Birne überlegte, was er mit dieser Information anfangen
sollte. Der Bruder kam, stellte ein Tablett mit drei kleinen Teegläsern hin und
setzte sich dazu.
»So«, sagte er. »Haben Sie sich entschieden, Herr Birne?« Sie
mussten seinen Namen vom Briefkasten abgelesen haben.
»Ich weiß immer noch nicht genau, was Sie von mir wollen.«
»Herr Birne, wir sind in gewisser Weise in einer Notsituation.
Aber selbstverständlich würden wir uns erkenntlich zeigen.« Frau Kemal schaute
Birne groß an und war zur Verstärkung neben ihren Bruder gerückt, während der
Daumen und Zeigefinger aneinander rieb, um Birne klarzumachen, dass Geld dabei rausspringen würde.
»Verstehen Sie mich nicht falsch, es geht mir
überhaupt nicht um Geld. Wenn ich Ihnen wirklich helfen kann, dann will ich
dafür nichts annehmen, verstehen Sie?«
»Ich will niemanden anderen jetzt mehr fragen. Ich will Sie,
Herr Birne«, sagte der Bruder, als wäre das irgendeine Antwort auf Birnes Bedenken. »Wir Türken haben es nicht leicht in Ihrem
Land, so schön Ihre Politiker auch reden. Ich will mich nicht beklagen, man
kann sich hier einrichten.« Er schaute sich in seinem Gastraum um. »Trotzdem
fühlt man sich gelegentlich als Mensch zweiter Klasse, verstehen Sie.« Birne
nickte. »Es heißt immer typisch Türke, wenn irgendwas war. Gerade in dieser
Stadt, die sehr schön ist, das mag ich gar nicht abstreiten, aber ich komme
hier ungern in Schwierigkeiten.« Er schaute Birne groß an.
»Wie kommen Sie ausgerechnet auf mich?«
Frau Kemal mischte sich wieder ein: »Das kommt vom Eindruck.
Sie sind sympathisch. Ich habe Sie helfen gesehen.«
Das stimmte, sie hatte ihn vorher nur der Frau Zulauf den
Schrank hochtragen sehen. »Es ist auch für die arme
Frau Zulauf«, fuhr sie fort. »Ich will, dass ihr Mörder gefunden wird.«
»Sehen Sie, ich habe selbst eine deutsche Frau.« Birne fragte
sich wieder, was der Bruder ihm damit sagen wollte.
»Wieso macht die das dann nicht?«
»Machen Sie es«, sagte Frau Kemal, beugte sich weit zu ihm
vor und hätte beinahe ihre Hand auf seine gelegt.
Birne war irgendwann in der Nacht schon mal näher dran
gewesen, ja zu sagen. Im Moment kam ihm das alles wieder eigenartig vor.
Frau Kemal begann, in ihrer Handtasche zu kramen und nebenbei
Birne zu beobachten, auch der Bruder schaute fest auf ihn. Birne war das
unangenehm, er trank seinen Tee, der lauwarm wurde, sagte »Ich weiß nicht.«
Der Bruder lächelte ein ungeheuer gewinnendes Lächeln und
sagte überhaupt nicht bittend: »Bitte.«
Birne wäre gern woanders gewesen. Frau Kemal
hatte gefunden, wonach sie gewühlt hatte, und legte einen Schlüsselbund auf den
Tisch: »Hier sind sie, die Schlüssel.«
»Können Sie vielleicht heute schon rein? Mein Schwager hat
eine sehr ungute Zeit im Gefängnis.«
»Oh ja«, bestätigte Frau Kemal ihren Bruder in einer
Unterwürfigkeit, die ihm neu an ihr war. Die versuchten, ihn klein zu kriegen.
Birne hatte generell ein Problem mit dem Neinsagen ,
hier war es besonders schwer.
»Ich will es probieren«, sagte er.
»Wunderbar«, lobte der Bruder. Und Frau Kemal wurde
konkreter: »Wenn Sie in der Wohnung sind, sehen Sie auf den Fernseher, dort
steht ein Bild von einem Kind, das ist der Enkel, dahinter steht eine Dose,
darin müsste das Geld sein. Seien Sie vorsichtig, ich denke, es ist nicht
wenig.« Sie schob den Schlüsselbund zu ihm herüber, daran hingen ein
Haustürschlüssel, den hatte er selbst, ein Briefkasten- und ein
Wohnungsschlüssel. Zögernd griff er danach.
»Kann ich Ihnen noch etwas ausgeben?«, fragte der Bruder, um Birnes Entschluss zu beschleunigen.
»Nein, danke; ich muss zurück ins Geschäft, meine
Mittagspause ist vorbei.«
»Vielen Dank.«
Sie
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