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Alpendoener

Titel: Alpendoener Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willibald Spatz
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fragen, was Sie da eben weggeschmissen haben?«
    »Müll. Auf Wiedersehen.« Birne wollte sich zum Gehen wenden.
    »Den würde ich gerne mal sehen.«
    »Wie bitte?«
    Der Mann zückte einen Ausweis und hielt ihn Birne kurz vor
seine saubere Nase, so kurz, dass er gerade auf blauem Grund das Wappen der
Stadt Kempten sehen konnte in einem Siegelstempel. »Müllinspektion, Stadt
Kempten«, erläuterte der Mann dazu. »Sie wissen, dass Sie Müll trennen müssen
als Bürger hier.«
    Birne hielt das für einen Traum, eine böse Fortsetzung von
heute Nacht.
    »Ich weiß, ich hab jetzt nur keine Zeit für Sie, tut mir
leid.«
    »Tut mir ebenfalls leid, aber die werden Sie sich nehmen
müssen.«
    »Ich bin auf dem Weg ins Büro – ich habe noch Probezeit.«
    »Dann hätten Sie eben früher aufstehen müssen«, sagte der
Mann und hob den Deckel der Tonne. »Würden Sie bitte Ihren Müll
identifizieren.«
    Birne glaubte nicht, dass das die Realität war und
zeigte auf seinen Beutel, ohne zu ahnen, was er damit auslöste.
    »Rausnehmen bitte«, sagte der Sack.
    »Nein.«
    »Hören Sie, wenn Sie die Arbeit der Müllinspektion behindern,
bin ich berechtigt, Ihnen auf der Stelle ein Ordnungsgeld auszustellen.«
    »Ich habe einen guten Bekannten bei der Polizei, den Bruno
Abraham.« Die Erwähnung des Namens allein hatte keine Wirkung. Birne fügte
hinzu: »Darf ich Ihren Namen erfahren? Sie bekommen eine
Dienstaufsichtsbeschwerde.«
    »75 Euro«, sagte der Mann und streckte Birne seine Hand hin.
    Birne, der gestern noch gesiegt hatte, murmelte
Unfreundliches und holte seine Tüte aus der Tonne. Der Fachmann drehte sie,
während Birne sie hochhielt, und musterte sie skeptisch, schließlich holte er
aus seiner Hosentasche eine Plastikplane und breitete sie auf dem Boden vor
Birne aus. »Ausleeren bitte.«
    Birne erinnerte sich an Sendungen in seiner Kindheit, in
denen Bürger von Showmastern reingelegt wurden, bis sie fragten, wo die
versteckte Kamera sei. Birne fragte nicht nach der versteckten Kamera. Die
Zeiten, in denen solche Sendungen in den Fernsehern dieser Republik liefen,
hielt er für vorbei. Birne nahm den Beutel und leerte ihn auf die Plane auf der
Straße mit dem Gefühl, jetzt nichts mehr zu verlieren zu haben. Im Büro würde
er sagen, die Müllpolizei habe ihn erwischt, die würden alle lachen und ihm
erklären, dass das jedem einmal passieren muss, sonst wäre er nicht hier.
    »So, mal schauen: Was haben wir denn da?«, sagte
der Mann und beugte sich nach unten; er zog sich Einweghandschuhe an. Birne
erschrak darüber. Der Mann wühlte im Dreck und holte einen Hähnchenschenkel
heraus, den Birne vor drei Tagen genagt hatte und der schon ein bisschen roch.
»Was ist das?«, fragte der Mann, und weil Birne nicht antwortete, antwortete er
selbst: »Biomüll!«
    Das Nutellaglas hätte Birne ausspülen und zum Glascontainer
bringen müssen. Der Deckel solle zum Verpackungsmüll in den gelben Sack. »Sehen
Sie, da drin ist noch ein kleiner Karton, den könnte man rauslösen und zur
Papiersammelstelle bringen, aber da wollen wir mal nicht so sein – wir sind
nicht katholischer als der Papst«, erklärte der Mann mit einer Seelenruhe, als
ob dieses Thema am Montagmorgen auch Birnes einzige
Sorge wäre. Die Zeitungen, die Scheiß-Zeitungen, hätte er aber schon zum
Altpapier bringen müssen, da seien alle Augen schon zugedrückt, das müsse er
bezahlen. Birne schaute dem Wühlenden zu und verlor wertvolle Zeit, er hörte
sich das an und begann, die Stadt und die Menschen in ihr zu hassen.
    »Wozu brauchen Sie denn solche Handschuhe? Was sind Sie von
Beruf?«
    Birne hatte Angst. »Nichts, die sind aus dem Auto.«
    »Aus dem Auto?«
    »Muss man haben, ist vorgeschrieben in Deutschland. Wegen der
Aidsgefahr.«
    »Ja, ja, das weiß ich schon, aber ich frage Sie, was Sie mit
Ihnen machen.«
    »Ausprobieren.«
    »Ausprobieren? Was heißt ausprobieren? Haben Sie denn dann
noch welche fürs Auto?«
    »Das sind immer vier Paar.«
    »Und im Auto müssen auch immer zwei Paar sein. Haben Sie das
gewusst?«
    »Nein – ja.«
    »Na, mir soll’s egal sein. Bringen Sie das in Ordnung, bevor
die Verkehrspolizei Sie in die Finger bekommt.« Und er fügte süffisant hinzu: » Würd mich trotzdem interessieren, was Sie mit den
Handschuhen getrieben haben. Hat das jemand gefilmt?«
    Er warf sich wieder zu Boden. Birnes Empörung schlug mannshohe Wellen, weil er nicht nur zulassen musste, dass

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