Alpengold (German Edition)
hielt er das Messer hoch.
Sandra starrte ihn ungläubig an, dann fing sie an zu kichern. Sie schlug sich wie ein Schluckspecht in seiner Stammkneipe auf den Schenkel und lachte lauthals. Sie lachte, bis ihr die Tränen kamen.
„Du“, begann sie unter Lachschauern, „willst mit, haha, dem Zahnstocher, hihi, gegen den Killer, haha, mit ‘nem Gewehr, hehehe, antreten?“
Sie war immer lauter geworden und Jens platzte der Kragen. Er hielt ihr mit der Hand den Mund zu und zischte: „Leise, verdammt! Ja, das will ich.“
Sandra gluckste weiter.
„Ich mach das für dich, du Kuh, kapiert?“ Jens blitzte sie an.
Endlich wurde Sandra ernst. Sie wischte seine Hand und etwas Blut fort. „Schon gut, keine Ahnung, warum ich so lachen musste. Deshalb bin ich noch lange keine Kuh! Aber egal, wir sind eh gleich tot!“
„Blödsinn! Wir haben eine Chance. Und wenn uns der Kerl nicht gesehen hat und weitergerannt ist, sucht er uns jetzt unten. Da ist ein Stück Wald und dahinter stehen Häuser, hast du gesehen?“
„Was? Nein.“
„Es könnte die Pension sein.“
„Na dann los, hin.“ Sandra wollte aufspringen.
Jens hielt sie am Arm fest. „Warte doch. Das geht noch nicht, dann sieht er uns und knallt uns ab. Wir müssen warten, bis es dunkel ist.“
„Oh nein. Aus welchem Indianerfilm hast du das denn?“
„Hast du eine bessere Idee?“
„Nee, aber so lange warten? Das kann ich nicht. Was ist mit Mark? Lebt Stefan noch? Wo ist Tina? Oh Gott!“
Sandra nahm Jens‘ Hand von ihrem Arm und zog ihn zu sich. „Gib mir das Messer.“
„Was? Wozu?“
„Gib schon her!“ Sie schnitt sich einen Streifen vom T-Shirt ab und band es um Jens‘ Schenkel. Dann gab sie ihm das Messer zurück. Sie umklammerte ihn, drückte ihr Gesicht an seine Brust und begann schluchzend zu weinen.
Jens war erst peinlich berührt, er fühlte sich schmutzig und stank nach Schweiß und gerade dann kam ihm ein Mädchen nahe und umarmte ihn, welche Ironie! Doch dann dachte er daran, den Tag vielleicht nicht zu überleben, was machte da Schweißgeruch. Lächerlich. Er drückte Sandra an sich und holte sich in ihrer Umarmung Kraft.
Lange blieben sie so und lauschten auf Geräusche, die ihnen den irren Killer ankündigen würden, doch es blieb still.
„Wie spät ist es? Ich habe meine Uhr verloren, sie saß immer zu locker.“
Jens schaute auf seine Uhr. „Es ist tatsächlich erst zwölf. Oh Mann.“
„Ich habe ein flaues Gefühl im Magen und mein Mund ist trocken wie die Wüste.“
„Ich weiß.“
„Lebt Mark noch?“
„Keine Ahnung. Er wurde getroffen, in den Rücken. Dieses Schwein! Warum reichte es ihm nicht, uns das Gold zu klauen? Und warum hat er Tina verschleppt?“
Sie schwiegen lange, dann fragte Jens: „Du liebst Mark?“
„Nein, ich glaube nicht. Wir waren mal kurz zusammen, es ist aber nicht mehr daraus geworden. Er gefällt mir, ja, aber Liebe? Nein.“
„Er sagte mir letzte Nacht, dass ich nie mit Tina zusammenkommen werde.“
„Stimmt, sehe ich auch so.“
„Es stört mich nicht mehr. Wahrscheinlich war es von mir nur eine Schwärmerei gewesen. Aber hübsch finde ich sie weiter.“
„Hm.“
Sandras Magen grummelte wieder. Sie fuhr sich mehrmals mit der trockenen Zunge über die rissigen Lippen. „Gott, hab ich einen Durst. Der Hunger ist zu ertragen, aber ich könnte ein ganzes Fass austrinken. Und wie ist es bei dir?“
„Ich bin auch ausgetrocknet und brauche unbedingt irgendwas zu Essen. Ich glaube, ich habe noch nie so lange nichts gegessen. Ich meine gar nichts, nicht mal einen Riegel oder ein Stück Schokolade.“
„Wenn wir hier rauskommen, kannst du wieder naschen ohne Ende. Ich hoffe nur, dass Mark und Stefan noch Leben und Tina befreit wird. Aber selbst dann glaube ich nicht, dass ich nächste Woche wieder zur Uni gehen kann, als wäre nichts passiert. Der Höllentrip wird wohl mein Leben völlig verändern. Dabei hätten wir es wissen müssen.“
„Was meinst du?“ Jens schaute sie an und musterte im schwachen Licht ihr Gesicht. Er sah verfilztes Haar, graue Schmutzflecken neben dunklen Blutspuren auf den Wangen, eine blutige Stelle an der Lippe und dunkel umrandete Augen.
„Na, das Scheißgold! Es hat doch immer schon den Leuten Unglück gebracht. Den Inkas, den Azteken, den Goldsuchern früher im wilden Westen. Denk an den Jäger im Auto, im Wald, er ist tot und weiß nicht mal, warum.“
Jens konnte über ihren unfreiwilligen Witz nicht einmal Grinsen, so erschöpft
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