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Alpenkasper

Titel: Alpenkasper Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willibald Spatz
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Arsch. Warum erzähl ich dir hier mein Leben? Damit du mich wieder nicht ernst nimmst? Mein Gott, ihr seid doch alle gleich.«
    Oliver stand auf. Niemand weiß, was weiter passiert wäre. Diesmal unterbrach sie die Türklingel. Jakob duckte sich unter Olivers Arm durch und raste zum Aufmachen. Er wurde, kaum hatte er die Tür geöffnet, an die Wand geschmissen. Tanja und Trimalchio stürmten in die Wohnung, sie hatten ihre Waffen schussbereit, sie überwältigten Oliver, warfen ihn bäuchlings auf den Tisch, dadurch zerbrachen beide Kaffeetassen, sie legten ihm Handschellen an und drückten seine Nase auf die Tischplatte. »Du bist verhaftet«, stieß Trimalchio hervor. Beim Herausziehen aus der Wohnung trat Oliver kräftig in alle Richtungen, Jakob spuckte er wieder ins Gesicht. Tanja fragte: »Ist bei dir alles okay? Bist du verletzt?« Jakob schüttelte den Kopf. Er hörte, wie ihr Auto wegfuhr, kochte sich eine weitere Kanne Kaffee und setzte sich an seinen Laptop, um Olivers Geschichte vor Redaktionsschluss noch aufzuschreiben.
     

Ersatzort
    Der treue Dackel kehrt nach dem Tod des Herrchens an den Platz zurück, wo ihm der Futternapf hingestellt wurde und wartet Stunden unter Winseln auf das Fressen. Er nimmt nichts von niemandem, magert ab und liegt eines Tages tot am Fleck und kann verscharrt oder verwertet werden. Der Großkritiker Schultzberg stromerte am Eingang seiner Theaterkantine vorbei. Die Tür stand offen, es herrschte eine Art von Ersatzbetrieb, man konnte das riechen, Schultzberg senkte den Kopf und schlich weiter. In den Augusta-Arcaden, die vor Jahren noch ein blühendes Shopping-Gelände waren, standen seit geraumer Zeit beinahe alle Läden leer. Es hatten sich nur ein Bäcker, ein Discount-Supermarkt, ein Zeitschriften- und ein Mallorcakleider-Laden gehalten. Außerdem gab es hier noch den Eingang zum Naturmuseum. Ein einsamer Ort inmitten der Stadt. Beim Bäcker gab es die Möglichkeit zu sitzen, bei einem Weizen schenkte Schultzberg seiner Trauer die Gelegenheit, sich breit zu machen. Sie wurde weniger. An zwei weiteren Tischen tranken ebenfalls schon Männer ihr Vormittagsbier, neugierig beobachteten sie alles, was dieser Neue trieb, nebenbei kommentierten sie das Montagsspiel der zweiten Liga, das der FCA knapp verloren hatte. Heuer steigen sie wahrscheinlich doch mal auf! Schultzberg schmierte auf der Serviette, die ihm zu seiner Nussschnecke gereicht worden war. Robert Walser wurde zum Ende seines Lebens verrückt und schrieb alles voll, was sich beschreiben ließ. Der Schreibwahn hielt ihn am Atmen. Schultzberg schrieb: »Wozu machen wir das alles? Warum schwingen wir uns zu Richtern dessen auf, was anderen Monate und Jahre Sinn gibt? Für uns ist es nur ein Buch, ein Theaterstück, das wir über einen Abend oder ein paar freie Stunden hinweg konsumieren, für den, der es fabriziert hat, ist es alles, was ihn ausmacht, was er ist, für eine gewisse Zeitspanne. Wir nehmen uns die Freiheit, sein Werk mit einem launigen Wischer aus der Welt zu fegen, wir fegen auch den Menschen weg wie eine Fliege, die uns nervt. Wir kennen ihn nicht, seine Gefühle sind uns egal, wir haben sogar noch das Gefühl, mit der Vernichtung des Objekts die Kunst an sich, die es so wenig gibt wie die Wirtschaft oder das Volk an sich, zu verbessern und unser Publikum, die Deppen, die uns lesen, anstatt mit ihren Händen was Vernünftiges anzustellen, klüger zu machen. Wir verschaffen ihnen eine Erkenntnis. Erkenntnis ist die geistige Währung unserer Tage. Information ist nichts, ist quick und billig verfügbar übers Internet, Erkenntnis dagegen ist Gold. Indem ich dem Zuschauer sage, was er vom Abend zu halten habe, werte ich ihn auf. Sogar wenn er mir widerspricht, setze ich einen Erkenntnisvorgang in ihm in Gang, er kommt intellektuell weiter, ohne mich wäre er auf der Stelle vermodert, innerlich.« Schultzberg trank. »Was ist mit denen, die das teuer subventionierte Theater nur als Garten betrachten, um ihre Profilneurosen zu züchten? Besteht meine Bürgerpflicht nicht darin, jene kaputt zu schreiben mit all der publizistischen Macht, die mir aufgrund meines Talents an Wort und Satz verliehen ist? Ich trinke Bier am Vormittag und verwahrlose öffentlich, ich brauche das hier Niedergeschriebene, um mich nicht aus Scham augenblicklich in Luft aufzulösen. Das heißt, wenn es möglich wäre, sich aus Scham in Luft aufzulösen, würde ich es sofort in die Tat umsetzen. Genug Scham sitzt an diesem Tisch. Es

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