Alphabet der feinen Kueche
Rades? Das Christentum scheint mir weniger zyklisch, sondern linear: Alle Entwicklung strebt nach einem Ziel - dem Paradies. Vielleicht konnte das Christentum das Neujahrsfest deshalb nie richtig integrieren.
Die wichtigsten Bräuche zum Jahreswechsel haben heidnische Wurzeln: Toten- und Reinigungsriten betonen das Ende. Während der zwölf Raunächte von Weihnachten bis zum 6. Januar, der Zeit zwischen den Jahren, wird unsere Welt zu einem Zwischenreich, in dem sich Lebende und Tote nahe kommen. Dämonen suchen uns heim, Wotans wilde Jagd, ein lärmendes, fliegendes Geisterheer zieht über den Himmel. Damit wieder Platz wird für Licht und gute Geister, können wir die dunklen Mächte vertreiben - durch Lärm und Knallerei. Oder wir versuchen die Dämonen durch Gaben milde zu stimmen: In vorchristlicher Zeit besänftigte man Tote, Dämonen oder Götter oftmals durch Blutopfer. Im Laufe der Jahrtausende traten schließlich Opferbrote oder Brote in der Form von Bären, Hirschen oder Ebern an deren Stelle. So können wir mit diesen Figuren gleichzeitig den Geistern huldigen und mit dem Verzehr die Kraft dieser Wesen in uns aufnehmen.
Glücks- und Fruchtbarkeitsriten betonen den Anfang. Ein guter erster Jahrestag soll als Beginn der Neuschöpfung zu einem guten Jahr führen - Reste dieser Vorstellung führen zu dem inneren Zwang, kurz nach Mitternacht gute Vorsätze zu fassen. Dabei gehören Glück und Fruchtbarkeit zusammen: Das Glücksschwein zum Beispiel ist ein Symbol der germanischen Fruchtbarkeitsgöttin Freyja. Ebenso sind auch andere Glücksbringer eigentlich Fruchtbarkeitsamulette, denn Glück war in früheren Zeiten nur ein anderes Wort für Fruchtbarkeit - der Frauen, der Felder, der Haustiere. Fruchtbarkeit und Tod sind nur scheinbare Gegensätze: Im Neujahrsbrauch der Gebildbrote vereinen sich beide Riten. Schon der schwellende Teig erinnert an die schwangere Frau, Fruchtbarkeitssymbole sind Hennen, Hasen, Glücksschweine. Zahlreiche Symbole sind jedoch mehrdeutig: Ob unser Hefezopf als Zeichen für Weiblichkeit zu den Liebes- und Fruchtbarkeitsopfern gehört oder ob er vielmehr wie ein Haaropfer als Ersatz für Menschenopfer zu den Bestattungsriten gehört, bleibt im Dunkeln. Mein Lieblingsbrot ist das ewige Rad, mit Zopf und mit Dämon.
Sonnenrad
1 großes Brot
1 kg Mehl, 200 g Zucker, Salz,
1/2-2 Beutel Trockenhefe
(siehe Weizenmehl, S. 285),
350 ml lauwarme Milch,
250 g weiche Butter
Mehl, Zucker und 1 Prise Salz in einer Schüssel mischen. Trockenhefe in einer Mulde mit 350 ml lauwarmer Milch verrühren, mit Mehl bestäuben und an einem warmen Ort 10 Minuten gehen lassen. Besonders lecker wird der Kranz, wenn Sie vorher etwas Safran in der Milch auflösen.
250 g weiche Butter zugeben, kräftig kneten, bis der Teig nicht mehr klebt. Die Schüssel mit einem Tuch zudecken und nochmals an einem warmen Ort 60-90 Minuten gehen lassen, bis sich das Volumen verdoppelt hat. Falls sie nur ganz wenig Hefe verwenden, dauert es mindestens 8 Stunden, bis der Teig aufgegangen ist; das Tuch mit dem Sie die Schüssel zudecken, sollte feucht sein.
Aus drei Vierteln des Teiges einen ca. 60 cm langen Zopf flechten und zum Kranz schlingen. Aus dem restlichen Viertel einen Dämon formen und wie Radspeichen in den Kranz legen, Hände und Füße leicht andrücken. Bei 175 Grad ohne Umluft ca. 45 Minuten auf der zweituntersten Schiene backen, kurz vor Schluss mit Wasser bepinseln. Sobald das Rad kalt ist, schmecken die Scheiben getoastet besonders gut.
Kreis oder Linie
Dr. K. aus Machtlfing äußerte freundliche Bedenken: »...das klingt spannend und hat sicher auch einen nachdenkenswerten Kern. Es ist aber doch ein sehr ungewöhnlicher Gedanke, der erst einmal (im Widerspruch) zu der sehr evidenten ewigen Wiederkehr des immer gleichen Kirchenjahres auch im Christentum steht. Heilspsychologisch gesehen sind die beiden Grundelemente des Neujahrs, Tod und Wiedergeburt, beim Christentum auf Ostern bzw. Weihnachten entfallen, und daher ist eigentlich für Neujahr kein Platz.«
Nudelsalat
Der Ursprung des deutschen Party-Nudelsalates liegt im Wirtschaftswunder: Ab 1951 wird in der BRD haltbare Mayonnaise in Tuben angeboten. In den sechziger Jahren befreien Gemüsekonserven die berufstätige Hausfrau von lästiger Kleinarbeit in der Küche - die zweite wichtige Voraussetzung für ein Gericht, dessen einzige Regel scheinbar lautet: keine frischen Zutaten! (Außer krauser Petersilie!) Zeit also für eine
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