Alptraum in Pink
um sie zu analysieren. Schließlich kam ich zu dem Schluss, dass sich keine Spannung zwischen uns aufbauen konnte, weil von vornherein feststand, wie der Abend enden würde. Sie war ein stattliches, schönes Mädchen, modisch gekleidet und intelligent, sie hatte leuchtende Augen und einen wohl geformten Mund. Aber die Würze der Eroberung fehlte. Ein Rotwild, das hergelaufen kommt und in die Gewehrmündung schaut, macht dem Jäger keinen Spaß. In der Jagd liegt eine knisternde Spannung, in der Suche nach versteckten Hinweisen auf wunde Punkte, anhand derer der Jäger kleine Korrekturen zu seinen Gunsten vornimmt. Die wichtigste Frage war schon beantwortet, bevor wir uns trafen. Mrs. Smith war diejenige, die ja gesagt hatte. Jetzt blieb nur noch die Frage, wie sie im Bett war. Nach ihrem Aussehen und ihrem Preis zu urteilen, hatte sie ganz bestimmt eine samtene Haut, war sinnlich und Appetit anregend und so aktiv oder passiv, wie jemand sie haben wollte. Sie sah so aus, als besäße sie die Fähigkeit zur Leidenschaft, aber man würde nie wissen, ob ihre Reaktionen echt waren oder gespielt. Sicher hatte sie vom ersten Augenblick an damit begonnen, mich einzuschätzen. Jetzt und auch später würde sie alles machen, was mir gefiel. Sie wollte, oder man hatte es ihr beigebracht, vollen Gegenwert leisten.
Einmal schaute ich schnell auf und sah kurz einen ganz anderen Ausdruck in ihren Augen - absolut kalt, freudlos und völlig gleichgültig -, der sofort wieder verschwand, als ich ihn bemerkte. Und das, dachte ich, war der Blick der Hure und ihr Geheimnis, diese unerschütterliche Teilnahmslosigkeit, mit der sie sich umgab. In diesem Augenblick wusste ich, dass mich so etwas nie interessieren könnte. Ich brauchte die Beteiligung der Seele. Diese appetitliche Ware war für eine andere Sorte Männer: für solche, denen Sex nichts weiter bedeutet als eine unkomplizierte körperliche Betätigung, die man mit unterschiedlichem Geschick mit jedem Mädchen und jeder Frau ausübt, die dafür still hält. Es war etwas für Männer, die Zigarren zerkauen, Karten spielen, in Hintern kneifen; für die lautmauligen Scherzbolde, die schmutzige Witze lieben und gleichzeitig mehrere geschäftliche Ferngespräche führen; für die dickbäuchigen Spesenritter, die nach der Rechnung schnappen, an der Bedienung herummeckern, dreckige Geschichten erzählen und laufen, laufen, laufen, bis die Leber aufgibt oder das Herz explodiert.
Und diese exquisite und kostspielige Puppe hatte ihnen in den Nachtlokalen zur Dekoration gedient, hatte irgendwann aufgehört, die Glatzköpfe zu zählen und die vielen Male, bei denen sie ihnen, während die Zigarre auf dem Nachttisch vor sich hin qualmte, routiniert die durchreisenden Lenden geleert hatte.
In einer kurzen Gesprächspause fragte ich: »Machst du das schon lange?«
Die Antwort kam so prompt und hörte sich so vernünftig an, dass es ganz nach Geschäftsphilosophie klang. »Liebster, denk doch nicht an so etwas. Du machst uns beide nur unglücklich. Ich arbeite den ganzen Tag. Ich gehe gerne aus. Du hast ein Rendezvous mit mir.«
»Es ist nur ein bisschen freundschaftliche Neugier, Rossa.«
»Bitte, Liebling, bis jetzt habe ich bei dir das Gefühl gehabt, dass es wirklich ein Rendezvous ist. Nimm mir nicht alle Illusionen.«
»Du meinst, bei dir und mir ist es anders?«
»Spürst du das nicht, Liebling?«
Das war sehr geschickt. Im Normalfall würde damit dem Ego des Mannes geschmeichelt. Man konnte jeden Mann dazu bringen, sich für etwas Besonderes zu halten. Und zum Schluss würde sie ihn mit einem großartigen, vorgetäuschten Endspurt dazu bringen, es bis an sein Lebensende zu glauben. Jeder Kunde ist einmalig.
»Mag sein. Aber ich möchte darüber reden.«
Sie zog eine hübsche Schnute und meinte: »Wie kommt ein so reizendes Mädchen wie du dazu, so etwas zu tun? Ist das nicht eine ziemlich abgedroschene Frage, Trav? Sind wir uns beide nicht eine wertvollere Unterhaltung schuldig?«
»Kennst du den alten Witz? Die Antwort des reizenden Mädchens?«
»Sicher doch. ›Ich habe eben einfach Glück gehabt.‹ Liebling, es ist wirklich kindisch von dir, neugierig zu sein. Akzeptiere mich einfach so, wie ich bin. Als ob ich vor einer Stunde zur Welt gekommen wäre, nur für dich.«
»Ganz sauber, neu, süß und jungfräulich.«
Sie schaute auf ihre Hand und prüfte die Fingernägel. Die Geste erinnerte mich an Bonita Hersch, aber ihre Fingernägel waren länger. Sie schaute mich
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