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Als das Leben ueberraschend zu Besuch kam - Roman

Als das Leben ueberraschend zu Besuch kam - Roman

Titel: Als das Leben ueberraschend zu Besuch kam - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Caroline Vermalle
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einer Freundin einquartiert. Ganz schön mutig in ihrem Alter.«
    Auf dem Zettel stand:
    Jacqueline de Boislahire
c/o Nane Verbowitz
Rue de la Forge
85600 L’Ile d’Yeu
    Virginie kniff die Augen zusammen und las die Adresse mehrmals durch. Nane Verbowitz. So einen Namen hörte man nicht oft.
    Am nächsten Tag schrieb Thibault Marcel eine E-Mail über seinen persönlichen E-Mail-Account mit der Adresse auf der Ile d’Yeu. Er schrieb, dass er hoffe, Jacqueline gehe es gut, und er wolle ihnen bei der Gelegenheit für alles danken, was sie für die Schule und ihre siebzehn Patenkinder getan hatten.
    Dank Virginies schönen Lächelns, der wilden Hip-Hop-Rhythmen und der großen, unheimlichen Schmetterlinge, die sich in dem kleinen Nest am Ende der Welt die Flügel verbrannten, kristallisierte sich Marcels Schicksalheraus, änderte den Kurs und führte ihn in eine ihm unbekannte Welt. Doch das ahnte er noch nicht.
    Drei Tage später begann zwischen Thibault und Virginie eine Liebesbeziehung, die einen Monat später wieder vorbei war.
    Nachdem Virginie nächtelang darüber nachgedacht hatte, schrieb sie eine Woche später einen langen Brief an Jacqueline, ohne es Thibault zu sagen.
    In unserem Baum auf der Ile d’Yeu diskutierten wir Schmetterlinge am späten Nachmittag heftig über das Für und Wider dieser Einmischung der afrikanischen Heuschrecke, denn es war natürlich alles ihre Schuld. Wir staunten über die exotische Landschaft und versuchten, uns die Schätze in Jacquelines geheimnisvollem Schrank vorzustellen. Natürlich dachten wir auch über mögliche Konsequenzen nach, die das Handeln des jungen Mannes in dem fremden Land nach sich ziehen könnte. Alle sprachen wild durcheinander, bis der finstere Skiron aus Nordwest uns zu schweigen gebot.
    »Hört endlich auf mit eurem Gezeter und fragt stattdessen lieber das Wiener Nachtpfauenauge. Es kann euch einiges erzählen, falls ihr überhaupt Schmetterlings genug seid, um ihm zuzuhören«, sagte er dann mit seiner lauten Windstimme zu uns.
    Ohne das geringste Geräusch zu verursachen, abgesehen vom Schlagen unserer Flügel, flogen wir wie ein einziger Schmetterling zu dem Efeu an den Mauern des Ateliers. Nach einiger Mühe fanden wir das Wiener Nachtpfauenauge auf der staubigen Fensterscheibe. Es war dreimal so groß wie die größten von uns. Seine unheimlichen Augenflecken ließen die Fragen verstummen, die wir ihm unbedingt hatten stellen wollen. Es kam uns wie eine Ewigkeit vor, bis das Wiener Nachtpfauenauge schließlich sprach.
    »Heute Nacht geschieht etwas im Atelier.«
    Das war alles, was es sagte. Kurz darauf begann der Efeu wieder zu zittern.

15
    Während wir auf die Nacht warteten, um zu erfahren, was im Atelier passieren würde, erzählte uns Kaikias später, dass Marcel und Paul den Abend mit einem Aperitif begrüßten.
    Sie saßen auf den Stühlen im Observatorium und beobachteten den Himmel. Vor ein paar Tagen hatte Paul ein Gästebett für Marcel aufgestellt, der die Leere in seinem eigenen Haus nicht mehr ertrug. Pauls vollgestopftes, hochgelegenes Refugium wirkte beruhigend auf Marcels aufgewühlte Seele. Als sie ihren Aperitif tranken, war Marcel anfangs ziemlich wortkarg. Paul vermutete, dieser Rückfall in die Melancholie könne mit den Neuigkeiten zu tun haben, die sein Freund aus Benin erhalten hatte. Marcel würde ihm später gewiss anvertrauen, was ihn bedrückte, hoffte Paul, der nicht die geringste Ahnung hatte, worum es dabei ging. Daher tat er zunächst das, was jeder Mann an seiner Stelle getan hätte. Er sprach über die Astrophysik.
    »SN2008nJ ist eine meiner bevorzugten Supernovae.Eine Schönheit, ein phänomenales Licht. Die Galaxie NGC1614. Ich hätte sie sehen können. Sogar mit meiner Ausrüstung hätte ich sie garantiert sehen können. Die Astronomen, die SN2008nJ entdeckt haben, sahen sie etwa eine Woche nach der Explosion des Sterns. Stell dir vor, die Masse dieses Sterns ist ungefähr zehnmal so groß wie die der Sonne. Die Lichtexplosion verblasst sehr schnell, und wenn du sie nicht innerhalb eines Monats entdeckst, hast du deine Chance versäumt. Die Astronomen haben sie am Dienstag gesehen, also muss der Stern am Mittwoch davor explodiert sein. Versteh mich nicht falsch. Wenn ich Mittwoch sage, meine ich einen Mittwoch vor zweihundertfünfzig Millionen Jahren. Das Licht musste die ganze Zeit reisen, um bis zu uns zu gelangen. Du betrachtest die Bilder, und alles, was du siehst, ist ein Punkt inmitten anderer Punkte

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