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Als das Leben ueberraschend zu Besuch kam - Roman

Als das Leben ueberraschend zu Besuch kam - Roman

Titel: Als das Leben ueberraschend zu Besuch kam - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Caroline Vermalle
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Männer gewesen? Wer war der Mann, der inmitten dieses silbrig schimmernden Wassers marschierte und seine kleine Armee zum Meer führte, der Kapitän mit den blutverschmierten Verbänden? Marcel Le Gall, die Summe all dieser Männer, fand er seinen Frieden?
    Der große Fluss, der noch immer durch seinen Kopf strömte und in seinen Ohren rauschte. Auf diesem Fluss, der auf seine alten Tage zufloss, trieben kein Silber, keine Medaillen, keine sorgfältig gebügelten Anzüge, keine Ehren, sondern er, tausendfach, und keiner entwischte ihm. Sie waren alle da, und falls noch einer auf sich warten ließ,so wusste Marcel doch, dass alle kommen würden, auch die, die er gar nicht sehen wollte.
    Und nicht nur er war da, sondern auch die anderen, die siebzehn kleinen Kinder aus Benin und Paul und Renée und die Kinder aus seinem Dorf und einige Algerier. Ebenso die Freundlichkeiten, die nichts gebracht hatten, die ganzen schäbigen Kleinlichkeiten, die Ungerechtigkeit und das »Niemand wird es erfahren«, all das holte ihn auf diesem Fluss ein. Jetzt präsentierte die verdammte Moral ihre Rechnung, und dabei waren es doch nur die alten Weiber, die Priester und die ganzen religiösen Schwätzer, für die Moral eine Bedeutung hatte. Er selbst hatte damals jede Gelegenheit genutzt, den Religionsunterricht zu schwänzen und den Priester zu ärgern. Er sah sich als Chorknaben in der Strickjacke und mit aufgeschlagenen Knien wie einen Irren herumrennen und beim Pinkeln wieder irgendetwas aushecken. Während er nun, mit sechsundsiebzig Jahren, durch dieses kalte, dunkle Wasser fuhr, schaute er gebannt in die Augen des Vogels und fragte sich, ob er ein guter Mensch gewesen war. Und als ihm Tränen in die Augen stiegen, fragte er sich, ob er vielleicht verrückt wurde.
    Die Loire hatte sich in den Kokytos, den Fluss des Wehklagens, verwandelt. Doch als Marcel die Augen wieder aufschlug, ohne sich entsinnen zu können, sie geschlossen zu haben, glitzerte der Fluss in der Sonne, die der Morgendämmerung einen rötlichen Schimmer verlieh. Die Vögel sangen aus voller Kehle, und ein Mann, der auf einem Traktor saß, winkte ihm von der Brücke zu, die nach Margeaix führte. Der Fischreiher war davongeflogen.

25
    Marcel zeigte in seinem Kanu, zu was er noch imstande war. Paul bemühte sich auf seinem Dachboden, das Universum zu begreifen. Arminda versuchte, sich von ihrem Fischhändler zu trennen. Jacqueline bereitete heimlich ein Festessen vor, und Nane war damit beschäftigt, Nane zu sein. Und Matthis, was machte der kleine Matthis in dieser Zeit? Er betrachtete mich aufmerksam. Es war komisch, denn er interessierte sich genau in dem Augenblick für mich, als ich mich nur noch für einen Kleinen Fuchs interessierte.
    Der Kleine Fuchs war wie ich ein Schmetterling aus der Familie der Edelfalter. Die Menschen nennen ihn auch Aglais urticae, abgeleitet von dem griechischen Wort Aglaia, das den Namen einer der drei Grazien bezeichnet. Ich hätte bestimmt nicht widersprochen. Matthis übrigens auch nicht. Er entdeckte ihn zuerst. Wegen eines Großen Ochsenauges wäre er nicht stehen geblieben, denn davon wimmelte es in diesem Garten. Aber ein Kleiner Fuchs war auf der Ile d’Yeu eine Seltenheit geworden.Ich hatte noch nie einen gesehen. Mit den orangeroten Flügeln, die am Rand mit halbrunden blauen Punkten verziert waren, und den schwarzen, von Gold gesäumten Flecken verzückte der Kleine Fuchs alle Bewohner des Gartens, die Flügel und Beine hatten. Er ähnelte einem Schmetterling in dem Memoryspiel, das Matthis gerne spielte. Wie hypnotisiert folgte ich dem Kleinen Fuchs, streifte die Gräser und ahmte seinen Flügelschlag nach. Wir erkannten uns. Der dann folgende Hochzeitstanz mit seiner graziösen Choreografie faszinierte Matthis. Mich aber machte er blind für alles, was um uns geschah. Glücklicherweise war der Kleine Fuchs auf der Hut und führte mich mitunter hoch in die Lüfte, wenn Matthis uns zu nahe kam. Doch während einiger Stunden oder sogar Tage – ich weiß es nicht – bestand die Welt nur noch aus hübschen Blumen. Dank dieser unendlichen Augenblicke traf mich blitzartig die Erkenntnis, warum ich als Schmetterling geboren worden war.

26
    Während ich mich mit unglaublichem Eifer der Aufgabe widmete, die Spezies der Edelfalter zu erhalten, entging meinen Nachbarn nichts von dem, was sich in der Villa Jolie Fleur abspielte. Sie entdeckten übrigens ohne große Schwierigkeiten, wer diese amerikanischen Freunde waren, vor

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