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Als das Leben ueberraschend zu Besuch kam - Roman

Als das Leben ueberraschend zu Besuch kam - Roman

Titel: Als das Leben ueberraschend zu Besuch kam - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Caroline Vermalle
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mit ihr gesprochen. Er erinnerte Jacqueline an Marcel. Ihr Appetit war immer ein heikles Thema gewesen. Außerdem hatte Jacqueline das Lauchgratin beim letzten Mal gegessen. Sie war traurig und auch wütend. Die Nase begann zu jucken, und ihre Schläfen pochten. Arminda nahm ein sauberes Geschirrtuch aus der Schublade und trocknete das Geschirr ab, das auf der Spüle stand. Es regnete noch immer, und Jacqueline verspürte große Lust, sich ebenfalls wieder in ihr warmes, trockenes Bett zu verkriechen.
    »Jacqueline, ich muss Ihnen noch etwas sagen ...«
    Ehe Arminda den Satz beenden konnte, kehrte Nane in die Küche zurück.
    »Ich wollte dir noch sagen, Arminda, dass Eugene und Cindy, du weißt schon, meine Freunde aus New York, am Dienstag zum Mittagessen kommen. Sie bleiben drei Tage. Kümmerst du dich ums Essen? Mir ist es momentan zu viel, mir den Kopf darüber zu zerbrechen.«
    »Ich kann mich darum kümmern, wenn du möchtest«, sagte Jacqueline plötzlich mit einer Dringlichkeit, als hinge ihr Leben davon ab. Nane und Arminda musterten sie misstrauisch.
    »Hm, meine Liebe«, begann Nane. »Es ist nicht etwa so, dass ich an deinen Kochkünsten zweifle, aber ...«
    »Dann nur das Mittagessen am Dienstag. Schau dich an. Du bist nicht in der besten Verfassung. Bitte, überlass es mir. Es würde mir große Freude machen.«
    Nanes Blick wanderte von Arminda zu Jacqueline, die nun stocksteif dasaß.
    »Hm, ja ... gut. Dann kümmerst du dich um das Mittagessen am Dienstag. Solange du meinen Amerikanern das Essen auf dem Teller und nicht auf dem Bauch servierst, bin ich einverstanden.«
    Nane schlurfte wieder auf die Treppe zu. Mit zusammengepressten Lippen begann Arminda, Möhren zu schälen. Jacqueline flüchtete. Mit klopfendem Herzen durchquerte sie den Garten und bemerkte kaum, dass es noch regnete. Sie hätte nicht sagen können, warum dieses Essen so wichtig für sie war.
    Ich saß mit meinen Cousins im Schutze des Laubengangs auf der Erde und beobachtete sie. Wir wussten es. Jetzt hatte sie endlich eine Gelegenheit, Nane zu beeindrucken. Und die Leute aus New York ebenfalls. Ein Glücksfall.

24
    Marcel hatte in Retournac ein Kanu bestellt. Da er zu Fuß unterwegs war, würde er den Ort allerdings erst in ein paar Tagen erreichen.
    Er wanderte über kleine, von Löwenzahn gesäumte Landstraßen. Ab und zu fuhr ein Traktor oder das gelbe Auto des Postboten an ihm vorbei. Marcel wanderte durch Wälder, und unter seinen Wanderschuhen knackten abgestorbene Äste. Er wanderte über Wiesen, am Rande der Klippen entlang, über Schotter und über Kieselsteine am Ufer der Loire. Und während Marcel einen Fuß vor den anderen setzte, wurde ihm mit jedem Schritt leichter ums Herz. Und das hatte zwei Gründe: Zum einen hatte das sonderbare Gerät, mit dem er die Loire ursprünglich hinunterfahren wollte, diese Erfindung der Herren Le Gall und Charon, seine kurze Karriere in der Mülltonne auf dem Kirchplatz von Arlempdes beendet. Zum anderen schienen sich seine Muskeln inzwischen an die Strapazen der Tour gewöhnt zu haben. Beides führte dazu, dass Marcel immer weniger an seine schmerzenden Glieder dachte.
    Im Übrigen hatte er nach und nach Platz in seinem Kopf geschaffen. Denn unterwegs gab es so viel zu sehen, dass er Platz brauchte, um all das, was er sah, irgendwo abzuspeichern. Marcel hätte ganze Bücher mit seinen Eindrücken füllen können. Wolken, die über die Weiden hinwegzogen, blühende Kirschbäume, deren Blüten der Wind verstreute, und Kirchtürme, deren Schatten sich im Wasser der Loire kräuselten. Doch was letztendlich auf dieser Straße zählte, war der Mensch. Und mit diesem Menschen ging eine Veränderung vor sich.
    Jeder Schritt verjagte das Unwichtige, die Eile, die Angst und Unzufriedenheit ein wenig mehr. Mit jeder Etappe entfernte Marcel sich Lichtjahre von Erquy. Die Tage schienen der Zeit entrückt zu sein. Es war nicht etwa so, dass er jünger wurde, aber der Begriff des Alters verlor seine Schrecken. Denn das Alter zählte nun nicht mehr. Die Landschaften, das Leben und all das sah er nicht mehr an sich vorüberziehen, sondern es war in seinem Innern. Ja, Marcel fühlte sich in der Tat ziemlich gut.
    Schließlich erreichte er Retournac und nahm dort ein nagelneues Kanu entgegen. Seine letzte Begegnung mit einem solchen Sportgerät lag dreißig Jahre zurück. Doch Marcel stürzte sich mit Leib und Seele in das Abenteuer. Jetzt konnte ihn nichts mehr aufhalten. Schon gar nicht fünfzehn

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