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Als der Kalte Krieg am kaeltesten war - Ein dokumentarischer Roman

Als der Kalte Krieg am kaeltesten war - Ein dokumentarischer Roman

Titel: Als der Kalte Krieg am kaeltesten war - Ein dokumentarischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raimund August
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heldenhaft den Roten entgegenstellten, gibt’s natürlich kein Epos. Die haben verloren und Schluß …“
    „Na, das mit der Heldenhaftigkeit“, sagte Hans-Peter und setzte eine skeptische Miene auf, „ist doch alles völlig verkitscht. Helden!“ Er schüttelte dazu den Kopf.
    „Richtig, davon gibt’s ganz einfach zu viele, sozusagen eine Heldeninflation“, bestätigte Sebastian. „Der heldenhafte Kampf jeden Herbst an der Kartoffelfront …“ und beide lachten.
    „Denk bloß mal an die massenhaften Helden der Arbeit bei uns.“
    „Na klar, lächerlich! Und die meinen, die Bevölkerung merkt so was nicht. Frag mal irgendeinen Arbeiter, was der von solchen Helden hält. Das sind alles nur Antreibereien würde der sagen. Denk doch bloß an den Aufstand vom Juni.“

    Schließlich lief der Personenzug ein, mit Waggons, die einen überdachten Austritt besaßen, so was wie eine kleine fahrende Terrasse mit Treppenstufen vom Bahnsteig aus. Ein wenig sahen diese Waggons schon altmodisch aus. Da es ein warmer Sommertag war, blieben die beiden Freunde erstmal gleich dort auf dem Austritt stehen. Sebastian zog sich jedoch seinen beigefarbenen Staubmantel über, den er zusammengerollt über die Schulter geworfen getragen hatte. „Ich hab mir auf so’ner Art Perron hier“, sagte er und deutete auf den umzäunten Austritt, „schon mal ‘ne mächtige Verspannung geholt, konnte mich kaum noch rühren, die Schmerzen waren irre.“
    Hans-Peter winkte ab. „Ich hab gar keinen Mantel.“
    „Du kannst ja auch reingehen.“
    „Ach was, ich bleib natürlich hier draußen.“
    Eine Langsamfahrstrecke vor Leipzig kostete sie fast eine halbe Stunde. „Entweder ist die Strecke nur noch eingleisig oder das Ganze ist verrottet“, schimpfte Sebastian, ging das doch alles von der Zeit ab, in der er Christa besuchen wollte, wobei er schon überlegte, ob er nicht besser gleich nach Dessau mitfahren sollte. Und überhaupt, es könnte ja auch sein, daß er sie gar nicht antreffen würde. Schließlich wußte Christa nichts von seiner Reise. Aber dann vielleicht nur aufkreuzen, um sich nach kurzer Zeit gleich wieder eilig zu verabschieden? Das würde nur Fragen nach sich ziehen. Hätte er doch ein Telegramm schicken sollen? Bin ich eigentlich verliebt? Er schüttelte kaum merklich den Kopf. Ich werde hingehen, beschloß er, als der Zug in das hohe gläserne Gewölbe des Leipziger Hauptbahnhofs einrollte. Die Freunde verabschiedeten sich.
    „Grüß deine Christa“, sagte Hans-Peter in leicht ironischem Ton.
    „Also das erste Hotel vom Bahnhof aus“, ignorierte Sebastian den Spott des Freundes, „und wenn belegt, dann natürlich wieder das nächste.“
    „Ist ja gut“, wehrte Hans-Peter ab, „viel mehr wird’s dort gar nicht geben. Die Stadt soll nämlich ziemlich zerbombt sein.“
    „Wir werden’s ja sehen. Verpaß den Zug nicht, der geht in fünf Minuten“, dazu deutete Sebastian auf seine Armbanduhr.
    Hans-Peter lachte, wies auf eine große Bahnhofsuhr und mit der anderen Hand auf einen Zug hinter einer unter Dampf stehenden Lok. „Bequemer geht’s nicht“, sagte er und lachte wieder.
    Sebastian nickte. „Also bis bald.“ Dann schlängelte er sich durchs Gewühl von Leuten mit Koffern und Taschen, die eilig dem noch wartenden Zug zustrebten. Fast wäre er dabei vor einen heranfahrenden Gepäckwagen gelaufen, der leer und scheppernd über den Bahnsteig kurvte. Eine weibliche Lautsprecherstimme, die sich immer wieder mit ihrem Echo überschnitt, forderte zum Einsteigen auf. Unter dem hohen Glasdach flatterten aufgescheuchte Tauben hin und her. Wieder überquerte er den Bahnhofsplatz, den er nun schon richtig zu kennen meinte und eilte auf eine dort haltende Straßenbahn zu, von der er wußte, daß sie ihn in die Nähe der Gutsmuthsstraße bringen würde.
    Schließlich stand er vor dem Haus, die Sonne noch hoch am Himmel, es war ja erst Nachmittag und er war ins Schwitzen geraten mit dem kleinen Koffer in der Hand und dem schräg darüber gepackten Mantel auf dem letzten Stück des Weges, das er zu Fuß gehen mußte. Er wischte sich mit dem Handrücken über die feuchte Stirn, bevor er durch die Türe in den dunklen Tordurchgang trat. Einen kleinen Moment brauchte er, um die sonnengeblendeten Augen an das Dämmerlicht zu gewöhnen, bis er die Stufen und die Tür in den Hausflur erkannte. Er mußte Licht einschalten und es roch wieder, daran erinnerte er sich, nach Keller. Als er oben klingelte und Christa die

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