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Als der Kalte Krieg am kaeltesten war - Ein dokumentarischer Roman

Als der Kalte Krieg am kaeltesten war - Ein dokumentarischer Roman

Titel: Als der Kalte Krieg am kaeltesten war - Ein dokumentarischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raimund August
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entlang führte, war es bereits dunkel. Nur die Lampen brannten und es war ihm doch recht mulmig zumute. Schließlich sollte er diesen Kettelhut endgültig ans Messer liefern. Er redete sich zwar so was wie eine berufliche Bewährung ein, dennoch fühlte er sich dabei alles andere als wohl. Kettelhut war ja völlig ahnungslos. Hier gab’s aber kein Zurück mehr, da mußte er durch.
    Als der Schließer eine der Zellentüren aufschloß und die schweren Riegel aus dem Mauerwerk krachten, zuckte er zusammen und erschrak, als er durch die aufgerissene Tür in das trübe, schmale Verlies blickte, in dem ein Mann stand, der orthopädische Schuhmachermeister aus Belzig, den er noch nie gesehen hatte, in Arbeitskleidung, so wie sie ihn aus seiner Werkstatt geholt hatten, ein mittelgroßer Mann in mittleren Jahren.
    Hans-Peter stellte sich vor, nachdem die Tür geschlossen worden war und gab dem etwas verwirrt dastehenden Mann die Hand. „Hier sind wir ja nur Nummern“, sagte er und wies sein Nummernkärtchen vor.
    Kettelhut nickte.
    „Wie ist denn dein Vorname?“
    „Karl-Heinz, aber eigentlich nur Heinz.“
    „Ich werde auch nur Hans gerufen.“
    Beide saßen auf der Pritsche, an je eine Matratze gelehnt.
    „Wie lange bist du denn schon hier?“
    „Zehn Tage.“
    „Ich drei Wochen“, erklärte Hans-Peter. „Das sind schon ganz scheußliche Ställe hier. Ich war bisher alleine in so’nem Loch.“
    „Ich bis jetzt auch“, ließ Kettelhut sich vernehmen.
    „Warum bist du denn hier?“
    „Was weiß ich. Die werfen mir Verbindung zur KgU vor.“
    „Was denn, Kampfgruppe gegen Unmenschlichkeit? Das ist ja’n Ding“, gab Hans-Peter sich erstaunt. „Ich nämlich auch, also KgU“, und er nannte den Namen eines Westberliner KgU-Mitarbeiters, den er von der Stasi hatte.
    Kettelhut ging nicht darauf ein.
    Sasse tat ganz aufgeregt. „Flugblätter“, sagte er, „wir haben hier im Osten stapelweise Flugblätter verteilt, also zwei Freunde und ich.“
    „Und wie kommst du nun hier rein?“
    „Durch Verrat. Ein Freund hat uns verraten, der Schweinehund …“
    „Warum das?“
    „Kann ich mir auch nicht erklären.“ Dabei sah Hans-Peter sich verstohlen in der Zelle um. Sowas hatten die ihm zuvor nicht gezeigt. Dieses Loch hier war wirklich schrecklich. Und das rostige Gestell da mit dem Aluminiumkübel, dort sollte man rauf? Die Vorstellung war ihm unangenehm. So war er noch nie auf dem Klo gewesen. Ein ganz schönes Opfer meinte er, das er hier brachte. Ebenso entnervte ihn später das Abendbrot, zu viel zum Sterben und zu wenig zum Leben und das Rausschleppen des Kübels…Vor allem aber das Herauslegen der Hände auf die stinkende Decke während des Schlafens bei ständig brennendem Licht.
    Und irgendwann am Heiligen Abend begann Kettelhut von seinen Nachtverhören zu erzählen, dem tagelangen Schlafentzug und von der Einsamkeit… Dazu erklärte er seinem neuen Zellengenossen, daß er sehr froh sei auch wieder eine andere Stimme und nicht nur immer seine eigene zu hören.
    Hans-Peter bestätigte, daß es ihm nach wochenlanger Einzelhaft genauso ergangen sei. Und das mit dem Schlafentzug habe er noch in schlimmer Erinnerung. „Ich habe am Tage im Sitzen geschlafen“, sagte er. Bloß gut, ging es ihm dabei durch den Kopf, daß der Hauptmann ihn noch instruiert hatte, daß Schlafen auf der Matratze oder auch ausgestreckt auf der Pritsche am Tage verboten war. Hier ein Fehler und er könnte die Mission, wie die Stasi diesen Einsatz nannte, gleich ganz in den Wind schreiben. Die prüften ihn hier sozusagen.
    „Im Sitzen…“ stieß Kettelhut verächtlich hervor, „ich bin umgefallen“, sagte er, „hier auf den Betonboden geknallt“, dazu schob er mit Daumen und Zeigefinger die graumelierten Haare an der rechten Seite des Kopfes etwas auseinander.
    Hans-Peter, der sich erhob und leicht darüber beugte, erblickte eine klaffende Platzwunde. Ein Schauder lief ihm den Rücken hinab. Du meine Güte, bloß gut, daß ihm das erspart geblieben war. „Ich weiß“, sagte er, „man torkelt beim Laufen.“
    „Nicht, wenn man von der Vernehmung kommt“, erklärte Kettelhut, „da ist man wieder wach, auch wenn man beim Verhör fast ohnmächtig geworden ist. Erst hier in der Zelle sieht man dann alles doppelt, spielt der Gleichgewichtssinn verrückt und das Schlimme, man darf sich den ganzen Tag über nicht hinlegen. Und jetzt hat man sich schon tagelang überhaupt nicht mehr um mich gekümmert. Einerseits ist

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