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Als der Kalte Krieg am kaeltesten war - Ein dokumentarischer Roman

Als der Kalte Krieg am kaeltesten war - Ein dokumentarischer Roman

Titel: Als der Kalte Krieg am kaeltesten war - Ein dokumentarischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raimund August
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Sache in Ostberlin und überhaupt in der DDR. „Kein Wunder“, schimpfte Sebastian, „wozu auch Hotels?“ Inzwischen brannten bereits die Straßenlampen.
    „Probieren wir’s doch gleich mal neben dem Bahnhof“, schlug Hans-Peter vor.
    „Das ist aber ein Schmuddelhotel.“
    „Macht doch nichts.“
    Doch auch dort wurden sie abgewiesen. „Bleibt nur noch das Adlon hier in der Nähe. Wir können’s jedenfalls versuchen.“
    „Adlon?“ fragte Hans-Peter, „Adlon, das war doch mal Berlins vornehmstes Hotel.“
    „Ja, war einmal. Damals hätten wir nicht daran denken können dort übernachten zu wollen.“
    Der Verkehr Unter den Linden ließ nach, je näher sie dem Brandenburger Tor und damit der offenen Grenze nach Westberlin kamen. Der große Gebäudekomplex in der Dunkelheit war die Sowjetische Botschaft. „Noch ein Stück weiter, dort stand einmal das Adlon“, erklärte Sebastian, „ehe die Russen es angezündet haben.“
    „Wieso angezündet?“ wollte Hans-Peter wissen.
    „Habe ich mal gehört“, sagte Sebastian. „Das Hotel war den Krieg über ziemlich heil geblieben, ehe die Russen es abbrannten.“
    „Aber wo ist es?“ Beide sahen sich um. Es war dunkel, lediglich eine trübe Straßenlaterne vergrößerte eher die Finsternis als daß sie sie aufhellte.
    „Da kommt doch jemand, oder?“
    „Ja, da kommen Leute …“
    Auf die Frage nach dem Adlon wies man sie in die Dunkelheit. Dort waren weiter hinten undeutlich irgendwelche Gebäudekomplexe auszumachen.
    „Ja, ja, dort ist es“, wurde ihnen gesagt, „da beim Lichtschein, das ist der Eingang.“
    Als sie dann darauf zugingen, schälten sich beim Näherkommen Gebäudeteile aus der Finsternis, die zum rückwärtigen Komplex des alten Adlon gehört haben mochten, aber sie fanden kein Schild, keine Bezeichnung, keinen Hinweis auf ein Hotel oder gar aufs Adlon. Der Weg dorthin führte dann unbeleuchtet teilweise über unebenen Erdboden.
    „Das hier ist der vornehme Zugang“, lästerte Hans-Peter, nachdem er ins Stolpern geraten war.
    „He! Schmeiß den Karton nicht in den Dreck!“
    „Mach’ ich schon nicht, aber eine Lampe hätten die hier schon aufstellen können.“
    „Wieso denn? Du sollst doch zu Hause bleiben und dich nicht in der Hauptstadt rumtreiben.“
    „Ich werde doch wohl noch meine Hauptstadt besuchen dürfen.“
    „Seit wann ist Westberlin denn Hauptstadt der DDR?“
    Hans-Peter kicherte. „Die Wunschhauptstadt“, sagte er.
    Schließlich hatten sie den Eingang erreicht. Über ein paar flache Stufen gelangten sie durch eine Glastür in eine Art diffus beleuchtetes Treppenhaus mit einem Tresen rechter Hand vor einem großen Schlüsselbrett an der Wand. Davor langweilte sich ein älterer Mann, offensichtlich der Portier dieser provisorischen Rezeption. Auf die Frage nach einem Doppelzimmer ratterte der zur Verblüffung der beiden, eine Reihe von Zahlen herunter, Zimmernummern wie sich erahnen ließ, mit Bad, ohne Bad, mit Bad, ohne Bad...
    „Halt, halt! Mit Bad“, unterbrach Sebastian den Zahlenschwall. „Der Meinung bist du doch auch“, wandte er sich an Hans-Peter.
    „Ja, natürlich mit Bad.“
    Und schon hatten sie einen Schlüssel mit einer dreistelligen Nummer darauf. In den dritten Stock, linker Hand die Treppe hoch. Dort empfing sie ein ebenfalls schlecht beleuchteter schmaler Flur; rechts eine glatte Wand, links numerierte Zimmertüren. Als sie ihr Zimmer schließlich betraten tastete Sebastian die Wand neben der Tür ab und fand einen Drehschalter. Das Zimmer erwies sich als relativ groß, das Mobiliar eher als zusammengewürfelt. Durch zwei hohe Doppelfenster blickte sie die Nacht mit einigen entfernteren Lichtern und erleuchteten Fensterreihen an. Hans-Peter zog ratschend altrosa Plüschgardinen davor. „Ob die wohl noch aus der Kaiserzeit sind?“ Dazu sah er seinen Freund fragend an. „Solche Stoffe gibt’s in der DDR nämlich nicht.“
    „Möglich“, sagte der und bewunderte die Stuckverzierungen an der Zimmerdecke. Im Bad bestaunte er den Schwanenfries um die gefliesten Wände und eine emaillierte Wanne mit geschwungenen Löwenfüßen, dazu goldfarbene Armaturen in reinstem Jugendstil wie auch den weißlackierten gußeisernen Spülkasten unter der Decke über dem Toilettenbecken.
    „Guck mal hier“, sagte Hans-Peter und hielt Sebastian den tropfenförmigen Porzellangriff an der Kette unter dem Spülkasten hin. „Echt Meißen.“
    Der sah ihn sich an. Tatsächlich, die blauen Schwerter.

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