Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Als der Tag begann

Als der Tag begann

Titel: Als der Tag begann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L Murray
Vom Netzwerk:
Lisa – hör mal, hast du Brick von Sam erzählt? Warst du das? Ich will’s nur wissen.« Ich hatte beschlossen, sie direkt damit zu konfrontieren.
    »Nein, Lizzy.«
    »Lisa, sei ehrlich, warst du das?«
    »Nein, wirklich, ich war’s nicht.«
    Ich glaubte ihr. »Okay … war ziemlich heftig in letzter Zeit.«
    »Du solltest nach Hause kommen, Lizzy.«
    Keine Chance, dachte ich.
    »Lizzy?«
    Ich stand stumm da und ließ Lisas Frage zwischen uns schweben. Ich spürte förmlich, wie sie über mich urteilte.
    »Wie geht’s Ma?«, fragte ich und brach schließlich das Schweigen.

    Jetzt war sie an der Reihe, nichts zu sagen. Lisa blieb so lange stumm, dass ich schon dachte, die Verbindung wäre unterbrochen worden. »Du solltest sie besuchen«, antwortete sie dann. »Ihr bleibt nicht mehr viel Zeit. Du solltest sie wirklich bald besuchen.«
    In der Nacht darauf bettelte ich Tony um einen Teller Pommes frites an, aufs Haus. Wir erwarteten sie sehnsüchtig, als plötzlich Carlos auftauchte. Ich spürte, wie mir bei seinem Anblick heiß wurde, wusste aber nicht, ob ich ihn fragen sollte, wo er gewesen und warum er verschwunden war, oder ob ich es einfach dabei belassen sollte.
    »O nein, das glaub ich jetzt nicht«, sagte Sam begeistert.
    Als er näher kam, stand ich auf, um ihn in die Arme zu schließen. Die Tage ohne Carlos hatten mir gezeigt, wie sehr ich sein Festhalten vermisste. Erleichterung überwog meinen Ärger. Aber als ich ihn anfassen wollte, machte er eine zurückweisende Handbewegung, die mir zeigte, ich sollte bleiben, wo ich war.
    »Ladys«, begrüßte er uns sanft. Und da sah ich ein dickes Bündel Hundertdollarscheine, zusammengehalten durch ein Gummiband, das mit einem Plumps mitten auf unserem Tisch landete. Erst da bemerkte ich Carlos’ frischen Haarschnitt und seine neuen grünen Camouflagehosen. Als Sam das Geld erblickte, stieß sie einen lauten Schrei aus.
    »Wie viel ist das?« Ich hatte noch nie mehr als ein paar hundert Dollar auf einem Haufen gesehen.
    »Gerade genug für einen Burger.« Er zwinkerte uns zu. Tony näherte sich mit unserem Teller Pommes frites, aber bevor er ihn abstellen konnte, ließ Carlos sie mit einem gezierten Fingerschnippen zurückgehen. Tonys Blick fiel auf das Geld, und daraufhin sah er mich mit einem Gesichtsausdruck an, der besagte, er fühle sich hintergangen.
    »Tienes mucho dinero« , er schnappte nach Luft.
    »Das ist korrekt, mein Lieber, das ist viel Geld. Also, mach schon, wärst du so gut?« Carlos lächelte uns an, während er weiter
auf Tony einredete. »Wir nehmen ein noch zappelndes Hühnchen und dazu Shrimps, die den Shimmy tanzen … uuuuund einen Schokoladenkuchen, nach Kleeblatt-Art – wobei kein Stück fehlen darf.« Tony nahm die Bestellung entgegen, irritiert, aber gehorsam. Als er wegging, pfiff Carlos ihn noch einmal zurück. »Der Tisch da geht auf mich«, sagte er und deutete dabei mit dem Kinn in Richtung eines Tisches mit Leuten, mit dem Finger aber auf einen anderen.
    »Alles klar.« Tony zuckte nur mit den Achseln.
    Mir lief das Wasser buchstäblich im Mund zusammen, als ich, völlig ungläubig, an das ganze Essen dachte. Das Geldbündel glotzte uns vom Tisch aus an. Sam und ich saßen sprachlos davor, grinsend, abwartend und wieder zum Leben erwacht. Unser Ärger war so wenig greifbar wie die Reste eines sich verflüchtigenden Traums. In diesem Moment gab es für mich nur Sam, Carlos und das größte Festmahl, das ich mir vorstellen konnte.
    »Ich liebe dich, Kleeblatt«, flüsterte er.
    Der Vorgeschmack auf das Essen vermischte sich ungut mit seinen Worten.

8
Die Motels
    Wir bezogen ein Zimmer in einem Motel, gleich neben der Ausfahrt Nr. 11 des Major Deegan Expressway, wo wir so ausgiebig duschten wie nie zuvor in unserem Leben. Ich drehte das Wasser heiß auf, kochend heiß, bis meine Haut brannte und rosarot leuchtete. R. Kelly sang I believe I can fly aus Carlos’ brandneuem Walkman. Meine Klamotten waren so widerlich und standen vor Dreck, dass es mir schwerfiel, sie wieder anzuziehen. Ich schlang mir ein Motelhandtuch wie einen Turban um den Kopf und trat ins Zimmer.
    Es war überraschend kalt. Ein Luftzug traf kühl auf meine nasse Haut, und ich bekam an Armen und Beinen eine Gänsehaut.
    »Ist die Heizung an?«, fragte ich Sam, die sich bereits in Decken eingemummelt hatte und mit Kissen im Rücken auf einem der Queen-Size-Betten lag.
    »Nein«, sagte sie, »aber wenn du unter die Decken kriechst, ist es auszuhalten.« Sie

Weitere Kostenlose Bücher