Als die Roemer frech geworden
werde. Doch sei
ihm folgender Bescheid erteilt worden: Nicht hinterlistig und nicht heimlich, sondern offen und mit den Waffen in der Hand
räche sich das römische Volk an seinen Feinden. Mit diesem rühmlichen Verhalten stellte sich Tiberius den Feldherrn alter
Zeiten zur Seite. Diese hatten die Verwendung von Gift gegen Pyrrhus abgelehnt und ihn von dem beabsichtigten Anschlag in
Kenntnis gesetzt. 2
Zusammenbruch des Marbodreichs und Ermordung des Arminius
Nach dem Jahr 16 n.Chr. gab es keine langfristige aktive Kriegsführung mehr nördlich der Donau oder östlich des Rheins. Selbst
das Kommando des Drusus, Tiberius’ Sohn, vom Sommer 17 n. Chr. ist nicht offensiv auszudeuten. Er sollte vielmehr vorsorglich
verhindern, dass es nach den Auseinandersetzungen zwischen Marbod und Arminius zu einer Machtkonzentration käme. Es ist plausibel,
dass er einen erheblichen Anteil am Sturz des Marbod im Jahr 19 n. Chr. hatte, indem er erfolgreich die Taktik seines Vaters
anwandte. Tatsächlich wurde der Zusammenbruch des Marbodreiches nicht zuletzt auch als Erfolg der neuen Politik gefeiert,
die auf militärische Eroberung verzichtete. Marbod bat Tiberius um Zuflucht, ebenso wie sein Gegner und Nachfolger Catualda,
der sich ebenfalls nicht lange halten konnte. In beiden Fällen wurde sie gewährt. Im Jahr 21 n. Chr. fiel gar Arminius einem
Anschlag seiner eigenen Leute zum Opfer.
Indessen stieß Arminius bei dem Abzug der Römer und nach der Vertreibung von Marbod in seinem Streben nach dem Thron auf den
Widerstand seiner freiheitsliebenden Landsleute. Es kam zu einer bewaffneten Auseinandersetzung, bei der er mit wechselndem
Glück kämpfte und durch die Hinterlist seiner Verwandten fiel. 3
|91| Sicherlich wurde diese Wandlung nicht nur im rechtsrheinischen Germanien zur Kenntnis genommen, sondern auch in Rom in der
senatorischen Öffentlichkeit. Das belegen die Werke der Zeitgenossen Strabon und Velleius Paterculus. 4 Diese nahmen die offizielle Interpretation vom Wandel in der Germanienpolitik im Nachhinein insofern auf, dass sie mit der
Abberufung oder mit dem Triumph des Germanicus ihren Bericht über die Germanienpolitik abbrachen.
Der Tod des Germanicus
Dabei war der Wandel in der Germanienpolitik innenpolitisch solange nicht gefestigt, wie Germanicus lebte. Die Dinge harrten
noch einer Entscheidung, als sich Ende 19 n. Chr. mit seinem mysteriösen Tod auf der Ostmission für Tiberius die unerwartete
Gelegenheit bot, in einer „offiziellen Verlautbarung“ den römischen Verzicht auf die Okkupation Germaniens seit 16/17 n. Chr.
überall im Reich unmissverständlich zu signalisieren.
Unmittelbar nach Erhalt der Nachricht vom Tod des Germanicus eilte sich Tiberius, nicht nur den ganz offensichtlichen Ärger,
den er mit diesem mächtigen Konkurrenten um die Macht hatte, zu überspielen, sondern auch dessen bisheriges Wirken umzuinterpretieren.
Anlass dazu boten ihm die Totenehren für Germanicus, die auf der
Tabula Siarensis
erhalten sind.
Vor dem Fund der
Tabula Siarensis
hatte man einen vergleichsweise großen Spielraum in der Bewertung der Ereignisse um 16/17 n. Chr. Seit der Publikation des
Fundes aus der spanischen Kolonie Siarum im Jahr 1984 ist die Ansicht, in der Germanienpolitik sei 16 n. Chr. eine offen und
offiziell formulierte Wende erfolgt, zur Gewissheit geworden. Auch der Historiker Tacitus, der ein summarisches Referat der
Ehrungen gegeben hat, kann zur Bestätigung herangezogen werden. Er hat in diesem Fall – wie in vielen anderen Fällen auch
– die
acta Senatus
im Senatsarchiv eingesehen. 5
Es handelt sich bei der
Tabula
um die reichsweite Publikation des Senatsbeschlusses vom Dezember 19 n. Chr. Darin werden die Ehrungen |92| anlässlich des Todes des Germanicus (10. Oktober) festgelegt. Dazu zählen die Bestimmungen für Bau und Gestaltung der Ehrenbögen
für Germanicus an drei markanten Punkten des Römischen Reiches: im Zirkus Flaminius in Rom, in Syrien auf dem Amanus-Pass
und in Mainz beim Grabmal von Germanicus’ Vater Drusus. Es sollte ein Grab für Germanicus in Antiocheia und ein Tribunal in
Epidaphne errichtet werden, wo er auf der Ostmission verstorben war. Weiter ging es um die Regelungen der Totenopfer für Germanicus
in Rom. 6
Die Tabula Siarensis
Die Tabula Siarensis ist eine Tafel aus Bronze mit dem Beschluss des Senats vom Ende des Jahres 19 n.Chr., in dem die umfangreichen
Ehren für den
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