Als die schwarzen Feen kamen
fühlen. Dr. Bartels lächelte nicht. Er würde sicher auch nicht versuchen, die Tatsachen herunterzuspielen. Sein Gesicht war ruhig und gefasst.
» Ihrer Mutter geht es den Umständen entsprechend gut«, sagte er, und im gleichen Moment fiel mit lautem Getöse ein riesiger Stein von Maries Herzen. Sie hatte es die ganze Zeit gehofft. So sehr, dass sie schon wirklich daran geglaubt hatte, dass es gar nicht anders sein konnte. Aber es mit ihren eigenen Ohren aus dem Mund des Arztes zu hören, war noch etwas ganz anderes.
» Sie ist allerdings noch nicht wieder bei Bewusstsein.« Dr. Bartels hob die Hand, als wollte er ihre Euphorie eindämmen. » Wir werden sie in jedem Fall für ein paar Tage hierbehalten müssen. Wann sie wieder aufwachen wird, ist im Augenblick nicht abzusehen. Außerdem haben wir im Bauch- und Brustraum mehrere entzündete Stellen und leichte innere Blutungen festgestellt, für die wir noch keine Ursache finden konnten. Ihr Hinweis diesbezüglich war Gold wert. Aber auch das werden wir beobachten müssen. Und das geht am besten, wenn Ihre Mutter hier ist.«
Marie nickte schnell. » Ja, natürlich.« Das würde sie schaffen. Ein paar Tage, was machte das schon aus, wenn Karin nur wieder nach Hause kam! » Kann… kann ich sie jetzt sehen?«
Dr. Bartels schüttelte mit bedauernder Miene den Kopf. » Tut mir leid, Frau Anders. Aber das wird nicht möglich sein. Sie ist jetzt mindestens für die nächsten vierundzwanzig Stunden auf der Wachstation, damit sie rund um die Uhr unter Beobachtung steht und wir sofort reagieren können, falls etwas Unvorhergesehenes eintritt. Besucher haben dort allerdings leider keinen Zutritt, auch Angehörige nicht– aus Rücksicht auf die Patienten. Ich hoffe, dafür haben Sie Verständnis.«
Marie presste die Lippen zusammen. Ihre erste Reaktion war, energisch zu protestieren. Darauf zu bestehen, dass man sie jetzt sofort zu Karin brachte. Aber sie wollte unter keinen Umständen kindisch wirken. Ihre Mutter lebte und die Ärzte kümmerten sich um sie. Dr. Bartels wusste sicher, was das Beste für sie war, viel besser als Marie. Und diese eine, einzige Nacht würde, musste sie überstehen. Sie atmete tief durch und nickte entschlossen. » Na klar. Das verstehe ich.«
Und nun lächelte der Arzt doch, ein schmales, freundliches Lächeln ohne falsche Herzlichkeit oder geheucheltes Verständnis. » Wir rufen Sie an, sobald Sie zu ihr können– und selbstverständlich auch, falls sich an ihrem Zustand etwas ändert. Hinterlassen Sie Ihre Nummer am besten beim Haupteingang an der Information für mich, einverstanden? Und noch etwas. Sie leben allein mit Ihrer Mutter, nicht wahr? Haben Sie für heute Nacht einen Ort, wo Sie hingehen können? Eine Tante, Großmutter, irgendjemand, der sich um Sie kümmert? Sie sollten auf keinen Fall allein zu Hause sein. Wenn Sie niemanden anrufen können, kann ich Sie zu unserem Sozialdienst begleiten. Die kümmern sich um Sie.«
Nach Hause… Marie schloss kurz die Augen und dachte an die leere Wohnung. An das Loch in der Fensterscheibe. Diesmal würde es wirklich still sein, wenn sie die Tür öffnete. Und kalt. Nein, dorthin zurückzukehren, war keine verlockende Aussicht. Aber hier in Hamburg hatte sie keine Verwandten, bei denen sie hätte unterkommen können. Früher wäre sie in einer solchen Situation zu Theresa gegangen, doch dazu stand im Moment zu viel Unausgesprochenes zwischen ihnen. Und der Gedanke, sich von irgendwelchen fremden Menschen bemuttern zu lassen, schreckte sie fast noch mehr ab– auch wenn sie noch so sozial waren.
» Sie kann bei mir bleiben«, sagte in diesem Augenblick eine Stimme neben ihr. Marie zuckte ein wenig zusammen– und in diesem Moment wurde ihr bewusst, dass Gabriel die ganze Zeit über noch kein Wort gesagt hatte. Jetzt aber legte sich seine Hand leicht und warm auf ihren Rücken. » Das ist gar kein Problem.«
Ich bin ihr Freund. Das Gefühl seiner Finger, die sich mit festem Druck um ihre schlossen, schoss kribbelnd durch Maries Erinnerung. Hatte er das ernst gemeint? Wollte er wirklich…? Sie wagte kaum, den Satz zu Ende zu denken.
Dr. Bartels’ Lächeln wurde ein wenig breiter. » Dann bin ich ja beruhigt.« Er schüttelte ihr und dann auch Gabriel die Hand. » Also, bis bald, Frau Anders. Wir melden uns bei Ihnen. Halten Sie durch.«
» Bis bald.« Marie rang sich ein Lächeln ab. » Und vielen Dank.«
» Keine Ursache.« Der Arzt nickte ihr noch einmal zu. Dann verschwand er in
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