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Als es Nacht war in Dresden: Roman (Frauenromane) (German Edition)

Als es Nacht war in Dresden: Roman (Frauenromane) (German Edition)

Titel: Als es Nacht war in Dresden: Roman (Frauenromane) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edith Siemon
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einkalkuliert. Die meisten, die sich ins Freie flüchteten, rannten in den sicheren Tod.
    »Komm, wir müssen sehen, dass wir einen Luftschutzkeller aufsuchen«, versetzte Gisela, mich am linken Arm packend, um mich am Weitergehen zu hindern.
    »Nein Gisela, nein, nein, ich gehe in keinen Keller mehr.«
    »Wir werden dazu aber bestimmt wieder aufgefordert!«
    »Wenn du gehen willst, geh, ich setze mich in das nächste Wartehäuschen der Straßenbahn. Inzwischen sind wir von dem Geschehen so weit entfernt, dass ich glaube, es trifft uns hier nicht. Aber einen Keller aufsuchen, das bringt mich um«, erklärte ich ihr.
    »Gut, ich komme mit, aber schnell, wir sind gleich an einer Haltestelle.« Dort ließen wir uns auf der Bank nieder und drückten uns, aneinandergelehnt, in die Ecke. Diesmal war das Ziel der Angriffe der Hauptbahnhof, voll mit Soldaten, die an die Front geschickt wurden, und Flüchtlingen, die, aus dem Osten kommend, vor den Russen flüchteten.
    Der Große Garten mit Altstadtflüchtlingen und die Elbwiesen, auf die sich etwa 10.000 Menschen geflüchtet hatten, waren das nächste Ziel der Bomber. Die durch die Bomben bereits entstandenen Flächenbrände quetschten die Menschen immer weiter zusammen. Diese Menschentrauben wurden dann das Ziel von weiteren Bombardements und Tieffliegergeschossen. Die Bomber hatten ihr Ziel erreicht, die Menschen hatten keine Chance.
    Nach Ende der zweiten Attacke herrschte nur noch gespenstisches Schweigen. Gisela und ich setzten unseren Fußmarsch fort, um vielleicht am Ende doch noch unversehrt in unserem Häuschen anzukommen. Am frühen Morgen hatten wir es geschafft. Frau Rudolph, die wusste, dass wir am Tag zuvor in die Stadt gefahren waren, empfing uns überschwänglich:
    »Gott sei Dank, da sind Sie ja!«
    In einer Thermoskanne hatte sie Tee für uns vorbereitet, den wir gierig tranken. Aber außer ›danke‹ war von uns nichts mehr zu erwarten. Ohne ein weiteres Wort gingen wir in unser Schlafkämmerchen und legten uns auf die Betten. An Schlaf war nicht zu denken, doch wir konnten ungehemmt weinen.
    Um uns herum brach einfach alles zusammen. Wie sollte man das Erlebte verarbeiten? Wie wurden all die vielen Betroffenen mit diesem Geschehen fertig? Die Hölle konnte nicht schlimmer sein.
    Am späten Vormittag heulten erneut die Vorortsirenen. Viele Altstadtflüchtlinge waren nun unterwegs zu Freunden, Verwandten oder in ein zugewiesenes Quartier. Meist nur Frauen, Kinder, auch Soldaten, die verwundet waren und Hilfe brauchten. Die Decken geschultert, die Rucksäcke gefüllt mit den wenigen noch verbliebenen Habseligkeiten, schleppten sie sich durch die Straßen. Manche zogen eine Karre oder ein Wägelchen, besetzt mit kleinen, verängstigten und hungernden Kindern, hinter sich her. Auf den Gesichtern der Frauen waren nur noch Niedergeschlagenheit und Hoffnungslosigkeit zu lesen. Blass die Haut, fast wie Pergament. Die müden, leblosen Augen von rötlichen Ringen umgeben. Zuerst gingen Gisela und ich in den Garten, doch dann entschieden wir uns, einfach auf die Straße zu gehen. Frau Rudolph kam aus ihrem Haus und gesellte sich zu uns. Ich legte mich einfach bäuchlings mitten auf den Bürgersteig. Gisela tat es mir gleich, und Frau Rudolph setzte sich am Zaun auf die Mauerkante. So beobachteten wir zusammen mit den Ausgebombten, wie die Geschwader erneut ihre Sprengladungen abwarfen, hinein in die ohnehin schon brennenden Häuser.
    Mitte 1943 hatten die Alliierten sich den Himmel aufgeteilt. Die Briten flogen in der Nacht mit ihren Stabbrandbomben. Die Amerikaner flogen tagsüber mit ihren Sprengladungen. So blieb kein Stein auf dem anderen. »…denn sie wissen nicht, was sie tun!« Wussten sie es wirklich nicht?
    Nach drei Tagen gingen wir in Radebeul in unser Institut. Wir wollten erst einmal sehen, ob es überhaupt weiterging und ob unsere Mitschüler alle anwesend waren oder einige nun aufgaben.
    Stella wusste von unserem Ausflug in die Stadt. Ich hatte es ihr beim letzten Schulbesuch erzählt. Als die Mitschülerinnen Gisela und mich sahen, herrschte erst einmal Totenstille. Dann kam eine nach der anderen auf uns zu. Wir wurden beinahe erdrückt.
    Stella umarmte mich und weinte. Sie stammelte immer dasselbe: »Mein Gott, ihr lebt!«
    Es tat gut, die Zuneigung zu erleben. Man spürte förmlich diese Gemeinsamkeit, dieses Aufatmen. Ein schönes Gefühl.
    »So, meine Damen«, ließ der Schulleiter sich vernehmen, »wir haben festgestellt, dass alle Damen

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