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Als es Nacht war in Dresden: Roman (Frauenromane) (German Edition)

Als es Nacht war in Dresden: Roman (Frauenromane) (German Edition)

Titel: Als es Nacht war in Dresden: Roman (Frauenromane) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edith Siemon
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anwesend sind. Aber weiß jemand von Ihnen, was mit unserem Mitschüler Hans Grabowsky ist?«
    »Nein«, war die allgemeine Antwort. Es wusste niemand etwas von ihm.
    »Dieser Herr heißt in Wahrheit anders. Der hier angegebene Name ist ein Deckname. Nun, ich denke, wir werden nichts mehr von ihm hören. Ich habe bereits nachgeforscht. Die Adresse hier in Radebeul, die er angab, ist falsch. Wo er wirklich gewohnt hat, ist nicht bekannt.« Der Schulleiter schaute kritisch.
    Ich hatte augenblicklich einen schalen Geschmack im Mund. Warum, weiß ich nicht, aber ich hatte plötzlich das Gefühl, es könnte etwas mit mir zu tun haben. Die Bestätigung bekam ich kurz vor Schulschluss. Der Schulleiter nämlich bat mich, kurz in sein Büro zu kommen. Er hätte einige Fragen an mich. Was konnten das für Fragen sein? Was die Schule betraf, war doch alles geregelt.
    »Nehmen Sie Platz«, forderte Dr. Schmidt mich auf. Er sah mich streng an, so empfand ich es jedenfalls. »Nun«, fuhr Dr. Schmidt fort, »Aufregungen hatten Sie ja gerade zu Genüge. Mit meinen Fragen möchte ich eigentlich versuchen, Ihnen weitere zu ersparen. Meine direkte Frage ist: Wussten Sie, dass Sie beobachtet wurden und warum?«
    »Sprechen Sie etwa von Herrn Grabowsky?«, vermutete ich.
    »Unter anderem.«
    »Mir fiel die Hartnäckigkeit auf, mit der er versuchte, mich einzuladen. Immer wieder, dabei machte er mir richtiggehend Angst. Seine Augen waren so farblos und sein Blick war so stechend. Es lief mir bei jeder Begegnung kalt den Rücken hinunter. Aber weshalb sollte er mich beobachten?«
    »Das wollte ich eigentlich von Ihnen wissen, es muss dafür doch einen Grund geben.«
    »Wahrscheinlich gibt es heutzutage immer Gründe, Menschen zu beschatten. Sie für schuldig zu befinden für Dinge, die für die Beschuldigten eigentlich kein Vergehen sind, sondern selbstverständlich. Ein Bedürfnis, was auch immer. Der Grund, weshalb man mich beobachtete, könnte sein, dass ich Freunde habe, die auf dem Weißen Hirsch leben und die ich des Öfteren besuche. Ihre Abstammung ist nicht rein arisch. So sagt man doch?«
    Nun erzählte ich Dr. Schmidt von der Freundschaft mit Franzl und dessen Mutter, Frieda Stern, dass ich mich bei ihnen zu Hause fühlen konnte und durfte und Franz für mich wie ein Bruder war.
    »Stets zurückhaltend und korrekt hatte er sich mir gegenüber verhalten. Ganz sicher bin ich mir auch, dass die Sterns mich nicht in Schwierigkeiten bringen wollten. Für mich selbst sah ich bisher darin kein Problem. Frau Stern freute sich immer sehr über meinen Besuch. Sie erzählte mir viel von ihrem Mann, der schon Anfang des Krieges nach Amerika emigrierte, nur mit zehn Reichsmark in der Tasche. Frau Stern ist Deutsche, somit ist mein Freund Franz Stern Halbjude. Ob man mir nun aus dieser Freundschaft einen Strick drehen konnte, ist mir gleichgültig, sie bedeutete mir einfach sehr viel.«
    Und ich berichtete weiter.
    »Ich besuchte in Dresden die Privatschule von Dr. Rakow in der Prager Straße. Dort lernte ich Franz Stern kennen. Er war der einzige männliche Teilnehmer. Er bekam keine Gelegenheit, nach dem Abitur ein Studium zu beginnen. So nutzte er die Zeit, um sich kaufmännische Kenntnisse anzueignen. Für mich waren die Sterns eine Oase, wohin ich immer mal flüchten konnte. Nun aber wird es mir nicht mehr möglich sein, sie zu besuchen.«
    »Was meinen Sie damit, ›nicht mehr möglich sein‹?«, fragte Dr. Schmidt gespannt.
    »Nach der Bombardierung von Dresden haben Gisela Weber und ich uns vorgenommen, die Stadt zu meiden. Es ist einfach unerträglich, all die Zerstörungen mit anzusehen.«
    »Vielleicht ist es auch besser, wenn Sie die Besuche bei Sterns einstellen. Wir haben leider noch nicht alles überstanden«, meinte der Schulleiter nachdenklich. Meine Antwort schreckte ihn wohl auf, als ich ihm versicherte, dass einzig und alleine die Zerstörung Dresdens der Grund sei, weshalb ich nicht mehr in diese Richtung fahren könnte. Somit konnte ich meine Freunde auch nicht mehr besuchen.
    »Wollen Sie nicht lieber zu Ihren Angehörigen zurück, damit Sie nicht so ohne Anhang und Hilfe hier ausharren müssen?«
    »Meine Angehörigen leben an der Schweizer Grenze, ca. 7 km entfernt von Basel. Seit Mitte Dezember 1944 habe ich kein Lebenszeichen mehr von ihnen bekommen. Wenn man den Nachrichten glauben kann, dann wäre für mich ein Durchkommen sicher nicht mehr möglich. Mein Vater lebt in Hamburg-Fischbek. Er schrieb mir das letzte

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