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Als es Nacht war in Dresden: Roman (Frauenromane) (German Edition)

Als es Nacht war in Dresden: Roman (Frauenromane) (German Edition)

Titel: Als es Nacht war in Dresden: Roman (Frauenromane) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edith Siemon
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Sirenen, Fliegeralarm! Wir wurden in einen U-Bahn-Schacht gedrängt, der sich rasend schnell mit Menschen füllte. Voll besetzt, Körper an Körper, sich zu bewegen war nicht möglich. Durch den Stahlbeton drang Angriffslärm. Die Angst war groß. Was, wenn … ? Aber wir hatten Glück und es entstand kein Schaden. Wir drängten vor den Bahnhof und setzten uns auf unsere Koffer. Wie sollte es jetzt weitergehen?
    »Lass uns noch ein wenig warten«, bat ich, »meine Beine fühlen sich an, als wären es Kartoffelsäcke, im Moment wollen sie einfach nicht mehr.« Hoffentlich müssen wir nicht mehr viel laufen, war meine Sorge. Sagen wollte ich es nicht. Ich konnte einfach nicht mehr, langsam bekam ich Angst. Doch aus dem Dunkel kam plötzlich ein Mann geradewegs auf uns zu und fragte nach Gisela. Er stellte sich ganz leise vor: »Ich bin Gerhard, ein Freund deines Bruders.« Er nahm unsere Koffer. Wir folgten ihm einfach wortlos. Nach etwa zehn Minuten führte er uns in einem Mehrfamilienhaus eine Treppe hoch. Bevor wir das Haus betraten, machte er uns deutlich, dass wir am besten nicht sprechen und somit keine Neugierde erwecken sollten. Als Gerhard die Wohnungstüre aufschloss, zog Giselas Bruder uns rasch in den Flur. Licht gab es nicht.
    »Leise!«, zischte Gerhard, als Gisela stürmisch von ihrem Bruder Theo begrüßt wurde.
    »Nun«, meinte dieser, »hat deine kleine Freundin es sich doch überlegt mitzukommen? Das war klug, gut so. Macht euch mal ein bisschen frisch nach diesen Strapazen. Dann essen wir, anschließend ist Besprechung.«
    So geschah alles der Reihe nach und so leise wie möglich. Gerhard hatte bereits für den nächsten Tag die genauen Zeiten unserer Weiterreise auf einem Zettel. Wenn wir Glück hatten, konnten wir bis Stralsund durchfahren. Ab da mussten wir uns um die Weiterfahrt selbst kümmern. Aber das war ja dann keine Weltreise mehr. Gisela meinte, dass wir sicher ganz gut zurechtkämen. Gerhard erzählte uns an diesem Abend, dass er sich schon des Öfteren nach ankommenden Zügen erkundigt habe. So jedenfalls klappte es auch, dass er uns vor dem Bahnhof einsammeln konnte. Das Essen war köstlich, ausreichend Brot, sogar Wurst und Käse, vorab eine Grießsuppe. Ich hatte schon lange nicht mehr so viel und so gut gegessen. Ich spürte meine Kräfte wieder erwachen und wie mein ganzer Körper richtig warm und entspannt wurde. Aber jetzt überfiel mich eine bleierne Müdigkeit. Im Sitzen schlief ich auf dem Sofa ein. Als ich geweckt wurde, um mit Gisela das Schlafzimmer zu beziehen, wusste ich gar nicht, was um mich herum geschehen war. Giselas Bruder Theo meinte verständnisvoll:
    »Ihr habt ja in den letzten Wochen genügend Aufregungen gehabt. Erholt euch nun auf Rügen ein bisschen, es wird noch einiges auf uns alle zukommen. Sobald es für mich hier nichts mehr zu tun gibt, komme ich auch auf die Insel.«
    Mir fiel auf, dass Theo das rechte Bein nachzog. Es musste steif sein. Dies zu hinterfragen, hatte ich ja noch Zeit genug, wenn wir angekommen waren. Theo übergab Gisela einen großen gelben Umschlag mit dem Kommentar: »Diesen Umschlag, Gisela, verstau ihn gut. Er darf auf keinen Fall in fremde Hände gelangen, sonst sind du und unsere Eltern in Gefahr, denk daran. Er wird bei unseren Eltern abgeholt. Gib Vater diesen zweiten Brief. Es steht darin, was es mit der Abholung auf sich hat. Passt ihr beide gut darauf auf, sonst wird es gefährlich.« Das musste wohl auch der Grund sein, weshalb wir hier die Reise unterbrechen sollten. Theo verabschiedete sich.
    »Grüßt die Eltern von mir, passt gut auf euch auf. Ich denke, dass wir uns bald wiedersehen. Aber erst einmal schlaft recht gut. Gerhard wird euch morgen zum Bahnhof bringen. Ach ja, beinahe hätte ich es vergessen. Hier, Gisela, für dich einen Notgroschen. Vielleicht bekommst du etwas dafür.« Theo gab Gisela eine dicke Rolle Geldscheine, die sie erstaunt in Empfang nahm. Todmüde fielen wir in unsere Betten, gegen acht Uhr wollten wir am nächsten Morgen zum Bahnhof.
    »Es ist durchaus möglich, dass ein Zug ankommt, der in Richtung Stralsund fährt«, meinte Gerhard. Es kam ein Zug gegen 10.30 Uhr mit genau drei Personenwaggons im Anschluss. Natürlich waren die Wagen total besetzt und auch die Viehwaggons waren mit Reisenden übervoll. Gerhard kannte scheinbar das Dilemma. Er riss Gisela den Rucksack vom Rücken.
    »Schnell, mach hin, häng ihn an die Brust.« Dasselbe befahl er mir. »So wird dir auch so schnell niemand den

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