Als es Nacht war in Dresden: Roman (Frauenromane) (German Edition)
ich mir nur noch, dass es weiterging. Wenn aber nach jeder Etappe tagelange Aufenthalte in einem Lager damit verbunden waren, hatte ich sicher noch einiges vor mir.
Zwei Tage später, am frühen Vormittag, fuhr ein Transporter auf den Hof, beladen mit Frauen und Männern, wir dachten erst an Neuankömmlinge. Der Fahrer und sein Beifahrer stiegen aus und liefen, nachdem sie den Wachposten befragt hatten, in das Büro des Kommandeurs. Im ersten Moment dachte ich schon, Halluzinationen zu haben, ich schüttelte mich und sah wieder in Richtung Transporter, doch nein, ich hatte richtig gesehen, es war Anton, der gerade von der Ladefläche heruntersprang, auf mich zu kam und mich umarmte.
»Ist dein Koffer gepackt? Es geht gleich weiter.« Das klang sehr sicher,
»Da gibt es nichts zu packen, der Koffer ist immer marschbereit«, meinte ich, erfreut über die Nachricht, glücklich darüber, Anton zu sehen. »In der Zwischenzeit habe ich mir einen Passierschein besorgt, nach Rheinfelden Baden.«
»Ich habe meine Entlassungspapiere auch«, unterrichtete mich Anton, »jetzt müsste eigentlich alles klappen.«
»Ich kann doch nicht so einfach mitkommen«, äußerte ich besorgt zu Anton. »Das wird gerade mit dem Commander besprochen«, versuchte er, mich zu beruhigen.
»Mein Ausweis mit dem Passierschein ist bei ihm in Verwahrung«, hielt ich dagegen, voll Sorge, es könnte mit der Weiterfahrt doch nicht klappen. »Bleibe einfach ruhig, es wird sicher alles in deinem Sinne geklärt.«
Ich fragte nicht, wie er es angestellt hatte, mich hier abzuholen. Ob er angegeben hatte, dass seine Frau hier im Lager war und ich deshalb direkt abgeholt wurde? Ich habe es nie erfahren.
Es dauerte eine ganze Weile, bis die beiden US- Soldaten auf den Hof zurückkamen. Sollte ich schon mal meinen Koffer holen? Meinen Rucksack durfte ich auch nicht vergessen, darin waren die Briefe von Karl, die Fotos von ihm, Gisela und Frau Rudolph, aufgenommen vor dem Haus, dahinter unser Refugium, ein paar Fotos von Dresden und natürlich welche von Max und Hedy. Meine Sparbücher und das Geld hatte ich immer im Brustbeutel bei mir.
»Deine Papiere haben wir«, ließ einer der beiden Soldaten verlauten, »wenn du jetzt noch deine Sachen holst, können wir losfahren.« Anton lief mir nach, ich gab ihm meinen Rucksack und den Koffer mit, während ich mich schnell von den übrigen Insassen verabschiedete.
Ich klopfte an die Tür des Kommandeurs, hatte er das Klopfen nicht gehört? Ganz sachte öffnete ich die Tür, er stand über seinen Schreibtisch gebeugt, den Füller in der Hand, scheinbar schrieb er gerade etwas. Er hob seinen Kopf und lächelte, doch dieses Lächeln galt nicht wirklich mir. Er schien durch mich hindurchzuschauen, also wartete ich einen Moment lang. Als er aber immer noch nichts sagte, machte ich mich vorsichtig bemerkbar.
»Sir, darf ich mich von Ihnen verabschieden? Vor allem möchte ich Ihnen danken für Ihr Verständnis. Und auch für die Sandwichs, sie haben mich gestärkt nach dem langen Marsch.« Jetzt endlich sah er mich an, lächelte wieder, reichte mir seine Hand und so verabschiedeten wir uns ohne ein weiteres Wort.
Es war ein Samstag, an dem Anton und ich uns auf den kleinen Laster zwischen die anderen quetschten, um unsere Fahrt fortzusetzen. Anton wusste, dass diese Reise in Stuttgart endete. Die Frage, ob es für mich einfacher war, von Stuttgart aus weiterzukommen oder es besser gewesen wäre abzuwarten, bis ein Transport in Richtung Mannheim zusammengestellt wurde, wird nie beantwortet werden können. Jedenfalls sollte noch einiges auf mich zukommen.
Wir fuhren durch kleine Orte, alle zwei Stunden gab es eine kurze Pause, und endlich vorbei an Schweinfurt. Die Fahrt durch all die Dörfer ließ mir oft das Wasser im Munde zusammenlaufen. Frauen liefen in Kittelschürzen, große Kuchenbleche mit frisch gebackenem Kuchen tragend, scheinbar von einem Backhaus nach Hause. Was für ein Anblick, er ließ hoffen, dass es doch wieder mehr zu essen gab. Anton hatte Proviant bekommen und, wie er mir gestand, außerdem auf Umwegen etwas besorgt. Mir war gar nicht nach Essen, die Hauptsache war, es ging wieder weiter. Die Sonne brannte erbarmungslos auf uns herab, ein Glück nur, dass wir genügend Wasser mithatten.
Vorsorglich nahm ich meinen breitrandigen schwarzen Hut aus dem Koffer und setzte ihn mir auf. Anton lachte, als er ihn sah.
»Na, konntest du ihn retten? Als du in Chemnitz zu mir kamst, hattest du auch
Weitere Kostenlose Bücher