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Als es Nacht war in Dresden: Roman (Frauenromane) (German Edition)

Als es Nacht war in Dresden: Roman (Frauenromane) (German Edition)

Titel: Als es Nacht war in Dresden: Roman (Frauenromane) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edith Siemon
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Feiertag jedoch kam Berta, sie hatte von elf bis zwanzig Uhr Dienst, ganz aufgeregt in unser Zimmer gelaufen.
    »Cäcilia ist wieder auf der Station und bekommt eine Bluttransfusion. Es scheint ihr nicht besonders gut zu gehen. Ihr Mann ist bei ihr.« Ich beschloss für mich, ihren Gesundheitszustand nicht so negativ zu bewerten, solange es bei der einen Transfusion bleiben würde.
    Vater schrieb mir aus Hamburg, er wünsche sich so sehr, meine Mutter und mich noch einmal in seinem Leben zusammen sehen zu können. ›Wenn ihr es euch auch wünscht, werdet ihr sicher einen Weg finden, der es uns ermöglicht. An mir soll es nicht liegen, ich bin zu allem bereit! Nochmals alles Liebe für dich, vergiss nie, dass ein Mensch auf der Welt ist, der dir für immer das ist, was er schon immer sein wollte – Dein Vater.‹
    Wie sehr hätte ich mir dies in meiner Kindheit gewünscht, einen Vater in der Nähe, von ihm getröstet und in den Arm genommen werden, mit ihm reden, was ich mit Großvater ja nicht so konnte. Er war mein Freund, er passte auf mich auf und half mir bei den Schulaufgaben, er scherzte mit mir, aber ganz tief in meinem Innern fehlte mir der Vater.
    Gleich nach den Feiertagen wurde Cäcilia wieder eingeliefert. Sie kam in dasselbe Zimmer, in dasselbe Bett wie zuvor. Täglich besuchte ich sie, meist in meiner Mittagspause. Wie bereits gewohnt, liefen wir im Flur auf und ab, ich erzählte ihr, was man so in den Nachrichten hörte, oder las ihr vor. Während einer dieser Mittagspausen traf ich auf halber Treppe die Stationsärztin.
    Sie blieb stehen. »Sie sind sicher auf dem Weg zu Frau Sander? Es ist nett, wie Sie sich um sie kümmern.«
    »Nun, solange sie noch hier ist, will ich das gerne tun. Später wird es nicht mehr so oft, wenn überhaupt, möglich sein. Wird sie denn bald entlassen?«
    Die Ärztin schwieg, hielt sich mit der rechten Hand am Treppengeländer fest.
    »Wissen Sie denn nicht, dass Frau Sander Leukämie hat?«
    »Oh, nein, das ist doch nicht möglich!«, entfuhr es mir.
    »Es ist leider so«, bedauerte die Ärztin. »Ihre Besuche tun ihr gut, Sie helfen ihr damit sehr.« Langsam betrat ich das Zimmer, der Schock saß tief. Sie lag erschöpft in den Kissen, griff nach meiner Hand und schlief ein. Als meine Zeit um war, ging ich in die Küche bis gegen zwanzig Uhr – eine lange Zeit mit traurigen Gedanken.
    Nun besuchte ich sie zwei Mal am Tag, ich durfte jederzeit zu ihr ins Zimmer. Am Morgen, eine halbe Stunde vor Dienstbeginn, schaute ich bei ihr rein, wünschte ihr einen guten Vormittag und versprach ihr, am frühen Nachmittag wiederzukommen. Den Abend vermied ich, der gehörte den Eheleuten. Es war erschreckend zu sehen, wie sich das hübsche Gesicht immer mehr bläulich verfärbte. Einmal schob sie ihr Oberbett beiseite und zeigte mir ihren Bauch, der aussah, als hätte sie einen einzigen Bluterguss über der ganzen Bauchdecke.
    »Sicher kommt das von den Transfusionen. Das wird sich, so denke ich, bestimmt bessern, wenn diese ausgesetzt werden.« Ich wusste gar nicht, wie ich reagieren sollte, ich wollte einfach nur etwas sagen wie: »Es wird bestimmt alles wieder gut.« Am Morgen des 13. Januar 1959 wollte ich Cäcilia einen guten Tag wünschen, ehe ich meinen Dienst antrat, da sah ich vom Treppenaufgang aus in ihr offenes Zimmer. Das Bett stand in der Mitte, daneben die Ärztin, der Internist, zwei Schwestern und am Fußende Cäcilias Mann. Ich drehte mich um und ging unauffällig die Treppe weiter hinunter. Was hatte das zu bedeuten? Aufgeregt erzählte ich Schwester Anna von meiner Beobachtung.
    »Es wird doch nichts passiert sein?«, fragte Schwester Anna. »Vielleicht, wenn ich ein bisschen Luft habe, gehe ich kurz zu ihr, um nachzusehen, was das zu bedeuten hat.« Es fiel mir sehr schwer, mich auf die Arbeit zu konzentrieren. Das Telefon klingelte. Sicher ein Zugang, für den eine Diät angefordert wurde.
    »Hier ist Berta. Ich muss dir leider sagen, dass Frau Sander verstorben ist.« Vom Küchenfenster aus beobachtete ich in diesem Moment, wie sie die junge Frau, gerade 31 Jahre alt, Mutter zweier Kinder, mit einem weißen Laken bedeckt in die Leichenhalle fuhren.

14

    Durch diese Tragödie lernte ich Richard, meinen späteren Mann, kennen. Er nahm dankbar an, dass ich mich in meiner Freizeit um ihn kümmerte. Jeder von uns hatte seine Vergangenheit, sei es Trauer, sei es große Enttäuschung oder gar beides, wie es bei mir der Fall war. Wir respektierten dies und ließen

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