Als es Nacht war in Dresden: Roman (Frauenromane) (German Edition)
einsamen Gärten. Die Hauptsache war, dass wir ihr eine Freude machen konnten.
Das Jahr neigte sich dem Ende zu, die erste Kriegsweihnacht stand bevor. Wir Kinder versuchten schon sehr früh, ein paar Geschenke aufzutreiben. Frau Ganter kam kurz vor den Feiertagen nach Hause, sehr mager und müde. Sie lag fast nur noch im Bett. Wir bemühten uns, sehr leise im Haus zu sein und ihr auf jedwede Art so oft wie möglich eine Freude zu machen. Wir erzählten ihr, was wir so am Tage erlebt und gehört hatten, so auch die Riesen-Neuigkeit von dem Flakgeschütz.
Onkel Stephan, der mit Tante Nina die neue Wohnung bezogen hatte, wurde zum Militär eingezogen. Direkt neben seiner neuen Wohnung, nur eine Straßenbreite entfernt, war ein sehr großes Feld, das nach der Ernte enteignet wurde, um ein Flakgeschütz darauf aufzustellen, mitten im Wohngebiet. Dies wurde als ganz dringend deklariert, weil direkt an der Grenze zum Rhein kriegswichtige Fabriken angesiedelt waren. Onkel Stephan, der 1,87 m groß war, sollte der SS beitreten, da aber seine Ehe bisher kinderlos geblieben war, hatte man Abstand genommen. So wurde er zum Flakdienst direkt vor dem Haus eingeteilt. Schlafen mussten die Soldaten in einer Baracke neben der Flak, um immer einsatzbereit zu sein. Tante Miriam und Onkel Ernst waren inzwischen, nach einer kleinen Hochzeitsfeier, bei den Großeltern eingezogen. Sie sollten später einmal das Häuschen übernehmen. Kinderlose Ehefrauen oder solche, die noch jung waren, aber bereits größere Kinder hatten, wurden dienstverpflichtet. Sie mussten in Rüstungsbetrieben oder in der Landwirtschaft arbeiten, oder, wie meine Mutter, Medikamente verpacken und Tabletten in Gläser füllen. Eine frühere Seidenweberei wurde eigens dafür eingerichtet. Diese Medikamente waren hauptsächlich für die Front gedacht. Für den Winter wurden für die Soldaten Strümpfe gestrickt, es gab dafür extra eine Sammelstelle, wo über die Ablieferungen Protokoll geführt wurde. Die Frauen wurden aufgerufen, ihre Pelze zur Verfügung zu stellen, was ebenfalls der Front zugute käme. Es trug daher niemand mehr einen Pelzmantel.
Auch für uns Jugendliche wurde die Sache ernst. Wir mussten uns für das Frühjahr 1940 für das Pflichtjahr eintragen und zur Verfügung stehen. Vier Mädchen aus meiner Klasse entschieden sich mit mir für ein Jahr Landarbeit. Das hieß für uns: morgens um sechs Uhr aufstehen, melken, misten, füttern, nach dem Frühstück ging es dann an die Feldarbeit. Hühner und Schweine mussten von uns versorgt werden. Wir machten einfach alles, was an Arbeit anfiel.
Ich wurde dem Hof eines kinderlosen jüngeren Ehepaares zugeteilt, streng katholisch, der Hausherr war nebenbei Organist und spielte sonntags die Orgel. In die Kirche brauchte ich nicht zu gehen, hatte ich doch meine Arbeit von der Hausherrin zugeteilt bekommen, die ich während dieser Zeit zu verrichten hatte. Regelmäßig musste ich am Morgen, nachdem ich Feuer im Küchenherd gemacht hatte, in einem großen Topf Mehl brennen (bräunen) und nach Angaben der Hausfrau braune Suppe kochen. Dies wurde gleich für drei bis vier Tage erledigt, sie wurde dann morgens aufgewärmt und mit einem Stück Brot zum Frühstück gegessen. Meine Zähne hatten davon sehr schnell eine bräunliche Farbe angenommen. Mangels einer guten Zahnpasta versuchte ich, sie mit Salz zu reinigen. Als Waschgelegenheit hatte ich eine Blechschüssel mit einem Krug im Zimmer, das Wasser musste ich mir im Hof an der Wasserpumpe holen. Der Hausherr stellte sich zum Waschen einfach unter die Pumpe. Dieser Wassertrog diente gleichzeitig als Tränke für die Kühe.
Frei gab es an jedem zweiten Wochenende. Wir Mädchen fuhren dann gemeinsam nach Hause, dabei erfolgte immer ein Austausch unserer Erlebnisse, tröstende Worte waren da oft vonnöten. Wenn ich es richtig beurteilte, war ich zwar die Kleinste, hatte aber den längsten Arbeitstag von allen. An den Wochentagen konnte ich die Freundinnen wegen der ganzen Arbeit nie treffen, nicht einmal kurz sehen. Da überfiel mich schon an manchen Abenden das Heimweh, wenn ich todmüde auf meinem Bett saß und mit niemandem reden konnte.
Mein Aufenthalt sollte nach sechs Wochen durch einen Unfall beendet werden. Es war an einem freien Sonntag im Mai, dem Muttertag. Ich durfte einen Kuchen backen zum Mitnehmen und freute mich sehr auf zu Hause. Aber vorher ging es noch in den Wald, um Baumstämme zu holen. Mit dem großen Heuwagen, vor den zwei Kühe
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