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Als es Nacht war in Dresden: Roman (Frauenromane) (German Edition)

Als es Nacht war in Dresden: Roman (Frauenromane) (German Edition)

Titel: Als es Nacht war in Dresden: Roman (Frauenromane) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edith Siemon
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wenig zu Hause, er konnte, wie er meiner Mutter versicherte, die aufdringliche Fürsorge von Martha nicht ertragen. Was bereits alle befürchtet hatten, trat nun ein: Frau Ganter starb. Für die Geschwister war es sehr tragisch. Es gab keine Worte für all die Trauer. Was in Alfons vor sich ging, war nicht zu erkennen. Er zog sich zurück, verbrachte oft die Nächte im Holzschuppen und sang sich in den Schlaf. Oftmals kam er tagelang nicht nach Hause. Wo er blieb, wusste keiner.

    Inzwischen gab es auch andere traurige Nachrichten. Viele junge Männer hatten sich zu Kriegsbeginn in der anfänglichen Begeisterung freiwillig gemeldet. Viele waren schon in den ersten Monaten gefallen oder kamen verwundet nach Hause. Am Rathaus hing in einem großen Aushängekasten eine Liste mit den Namen der Gefallenen. Viele Mütter sah man lesen, hoffend, dass der Sohn nicht aufgelistet sein möge. Aber man sah auch junge Frauen mit Kleinkindern weinend zusammenbrechen. Wir selbst merkten vom Krieg noch relativ wenig. Es gab von Anfang an Lebensmittelkarten, die jeden Monat im Rathaus abgeholt werden mussten. In einem Quittungsbuch wurde für jede neue Ausgabe ein Stempel mit Datum gesetzt. Wir Jugendlichen bekamen mehr Butter und mehr Brot. Einschränkungen gab es auch bei Textilien. Wenn es etwas auf die Punkte gab, dann wurden vielleicht Blusen in allen Größen, aber in einer einzigen Farbe und mit einheitlichem Schnitt angeboten. Ein anderes Mal gab es Röcke, zum Winter wurden schon mal Mäntel angekündigt, aber Glück gehörte dazu, wenn man etwas ergattern wollte. Berichte konnten wir über unseren Volksempfänger erhalten oder der Zeitung entnehmen. Schlechte Nachrichten gab es nicht, unsere Soldaten siegten, und wir sollten ja das glauben, was wir hörten. Wenn Soldaten Fronturlaub hatten, dann sickerte schon einiges durch, was uns vorenthalten wurde. Diese Nachrichten wurden mit äußerster Vorsicht und Wachsamkeit weitergegeben. Man galt als Volksfeind, wenn man schlechte Nachrichten verbreitete, und die Folgen waren abzusehen. Seine Meinung durfte man nicht äußern, dies konnte zum Verhängnis werden, denn oftmals wurde diese völlig anders über mehrere Personen weitergegeben, dann nahm das Unglück seinen Lauf. Großmutter lebte ständig in Angst um Großvater, er war viel unterwegs, und, wie ich vermutete und auch hörte, brachte er oft schlechte Nachrichten nach Hause.
    Wir hatten zwei Kinos in unserem Städtchen. Es gab für uns Jugendliche Filme von der Front, wie die Soldaten mit Künstlern unterhalten wurden, wie die Verwundeten von Rot-Kreuz-Schwestern im Rollstuhl zu der Veranstaltung begleitet wurden. Viele namhafte Schauspieler und Sänger waren zu sehen, für uns Heranwachsende war es eine willkommene Abwechslung.
    Vor jedem Hauptfilm lief die Wochenschau, unsere Soldaten waren Helden, sie wurden gezeigt beim Essenfassen oder wie sie die Abende gemeinsam in der Runde verbrachten, Mundharmonika spielend, singend oder ein Buch in der Hand haltend. Scheinbar brauchten die Angehörigen sich keine Sorgen zu machen.

    Unser Polizeiwachtmeister Herr Schott hatte in unserem Städtchen dafür zu sorgen, dass die Jugendlichen sich abends nicht herumtrieben. Er hatte auch die Aufgabe, das Kino zu überwachen. Gab es einen Film, der für Jugendliche verboten oder erst ab 16 Jahren zugelassen war, lief der Hauptfilm erst, wenn Herr Schott die Reihen kontrolliert hatte.
    Wir nannten ihn den ›Jugendschreck‹. Er kannte die meisten von uns. Saß einmal ein Jugendlicher dazwischen, der eigentlich nicht dort sein sollte, winkte er mit dem Zeigefinger, man stand auf, folgte ihm, dann erst hieß es: Film ab.
    Der Jugendschreck Herr Schott wurde Vormund von Gertrud und ihren Brüdern Markus und Michael. Zunächst blieb alles so, wie es war. Cousine Martha führte den Haushalt, Alfons ging nach wie vor in seinen Wasserturm und trank. Martha ließ ihn dann immer im Holzschuppen übernachten.
    Herr Schott vermittelte auch Jugendliche auf Bauernhöfe, die ihr Pflichtjahr für fünf Reichsmark im Monat überstehen mussten. Es gab für die Mädchen auch noch eine andere Möglichkeit, nämlich die einer zweijährigen Haushaltslehre. Hier lernten sie, einen Haushalt zu führen und zu kochen (auch Feinküche, soweit dies bei der Rationalisierung möglich war). Weitere Themen waren das Tischdecken, Reinigen der Wohnung sowie Diätküche und Krankenpflege.
    Frau Weiler war ausgebildet und berechtigt, Haushaltslehrlinge auszubilden.

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