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Als es Nacht war in Dresden: Roman (Frauenromane) (German Edition)

Als es Nacht war in Dresden: Roman (Frauenromane) (German Edition)

Titel: Als es Nacht war in Dresden: Roman (Frauenromane) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edith Siemon
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meinte ich, dass öfters Blicke von Anwesenden auf uns gerichtet waren. Erna hatte mich sehr schön frisiert, mir einen Lippenstift geborgt, aber mir geraten, diesen nur ganz wenig aufzutragen. Florian meinte sogar, dass ich hübsch anzusehen sei. Verlegen schaute ich auf meinen Teller und spürte, wie Röte mein Gesicht überzog. Er lächelte und nahm einfach meine Hand. Zum Bahnhof brachte ich ihn ohne Erna. Sie meinte, das sei alleine unsere Sache, Abschied voneinander zu nehmen. So standen wir beide auf dem Bahnsteig und warteten auf das Einlaufen des Zuges. Florian versprach mir, gleich zu schreiben, solange er noch zu Hause war. Wohin er nach dem Urlaub abkommandiert würde, wusste er noch nicht. Aber er würde mir dann gleich seinen Aufenthalt und seine Feldpostnummer mitteilen. Auf dem Bahnsteig wurde über den Lautsprecher das Einfahren des Zuges angekündigt. In diesem Moment fasste Florian mich an den Schultern, beugte sich vor, sodass er mir in die Augen sehen konnte, und fragte mich:
    »Mein kleines Mädchen, willst du auf mich warten?« Diese Frage kam so überraschend, ich wusste nicht gleich zu antworten. Florian sah mich so lieb und bittend an, dass ich wie von selbst einfach »Ja« sagte. »Dann weiß ich, wofür ich jetzt wieder in den Krieg ziehe«, flüsterte Florian, nahm mich fest in den Arm und küsste mich so heftig, dass mir fast die Luft wegblieb.
    »Bitte, Herr Leutnant, Sie müssen einsteigen«, mahnte ein Begleitsoldat, der dafür verantwortlich war, dass Wehrmachtsangehörige in das richtige Abteil einstiegen. Ein Winken, ein Luftkuss, und alles war vorbei.

    Noch eine ganze Weile stand ich auf dem Bahnsteig und dachte über mein so spontan gegebenes Versprechen nach. Wusste ich denn, ob ich dies jemals einlösen konnte oder wollte? Wir kannten uns doch nur durch unsere Briefe. Gewiss, in der kurzen gemeinsamen Zeit hatten wir vieles über den anderen erfahren. Florian erzählte von seinen Eltern, von den übrigen Familienmitgliedern. Aber was konnte ich erzählen? Von meinen Großeltern, meinen Tanten, auch von Mutter, die alle in Südbaden lebten. Aber dass mein Vater in Hamburg wohnte, dass ich ein uneheliches Kind war, hatte ich bewusst verschwiegen. Nie hätte ich gedacht, dass Florian mir diese Frage stellen würde. Ob das wirklich ein Antrag war? Völlig durcheinander, kam ich bei Erna an. Ihre erste Frage war:
    »Sag, was ist passiert?« Erst nach einer langen Pause konnte ich Erna antworten. Ganz ernst sah sie mich an, setzte sich mit mir auf das Sofa und nahm meine Hand.
    »Das hast du ganz richtig gemacht. Stell dir vor, Florian geht nun mit einer Hoffnung im Herzen an die Front. Weißt du, das bedeutet ihm viel. Wir aber wissen nicht, was uns noch alles bevorsteht, wohin uns der Krieg noch treibt. Wir wissen auch nicht, ob unsere Soldaten den Krieg überleben, vielleicht sogar irgendwo begraben werden und wir nicht einmal wissen, wo. So hast du Florian sicher glücklich gemacht mit deinem Versprechen. Und das ist doch sehr, sehr viel, was du ihm mitgeben konntest. Wenn es wirklich einmal darum gehen sollte, das Versprechen einzulösen und du oder Florian es aus irgendeinem Grund nicht könnt oder wollt, dann gibt es auch dafür eine Lösung, aber jetzt, für diesen Augenblick, hast du das Richtige getan.« Es bedeutete mir viel, mit Erna über alles sprechen zu können. So viel Neues trat in mein Leben. Wie hätte ich alleine damit fertig werden können? Durch Erna sah ich alles klar, und wenn ich heute zurückdenke, dann war all das Neue wunderschön!

    Nun hatte ich ja ein großes Problem, wenn ich in Niederau ankäme. Wie würde Hedy den Verlust von Erichs Koffer aufnehmen? Würde sie sehr traurig sein? Vielleicht sogar böse? Diese Gedanken ließen die vergangenen 14 Tage wieder in den Schatten treten. Aber da musste ich einfach durch. Es war ja nicht nur für sie ein Verlust. Auch ich hatte meine Sachen verloren, aber Hedy würde das bestimmt anders sehen.
    In einer Woche würde ich in Dresden zur Schule gehen, neue Gesichter sehen. Vielleicht auch neue Freundschaften schließen. Würde sich mein ganzes Leben verändern? Ich fühlte mich richtig erwachsen.
    Es war gut, auch wichtig, jemanden wie Hedy und Max zu haben, zu wissen, ich konnte mit ihrer Hilfe und Unterstützung rechnen, wenn ich sie brauchte. Aber ich nahm mir auch fest vor, mein Leben selbst in die Hand zu nehmen, eigene Entscheidungen zu treffen und dafür geradezustehen, ohne die Absicht, Hedy und Max zu

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