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Als es Nacht war in Dresden: Roman (Frauenromane) (German Edition)

Als es Nacht war in Dresden: Roman (Frauenromane) (German Edition)

Titel: Als es Nacht war in Dresden: Roman (Frauenromane) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edith Siemon
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zu Hilfe zu kommen. Isabell, Erika und ich bezweifelten Doras Bedenken, aber irgendetwas hatte sich seitdem zwischen uns verändert. Dora zog sich zurück. Wir sollten es nicht so direkt merken. Die Pausen verbrachte sie noch meistens mit uns, aber am Nachmittag, wenn wir mal gemeinsam etwas unternehmen wollten, hatte sie immer eine Entschuldigung parat. Zuletzt schlossen wir sie von unseren kleinen Ausflügen völlig aus. Es war doch meistens so, dass Erika und ich alleine etwas unternahmen.

    Die Tage wurden kühler. So gingen wir mal in ein Kino oder schnorrten Stollen und eine Tasse Malzkaffee in einem kleinen Café. Die Schaufenster in der Prager Straße waren sehr sparsam dekoriert. Wenn man nach einem Teil fragte, das in der Auslage zu sehen war, bekam man die Auskunft, dass dies nur ein Dekorationsstück sei. Aber es machte uns einfach Spaß, in den Geschäften zu stöbern, obwohl die Ausbeute eher gering war.
    Manchmal saßen wir auch im Hauptbahnhof, studierten die Ankommenden und Zusteigenden, hatten viel Spaß dabei, doch schließlich mussten wir uns entscheiden, nun selbst in den Zug zu steigen, um nach Hause zu fahren. An einem solchen Nachmittag, als wir dabei waren, die Fahrgäste zu studieren, erzählte ich Erika von Florian. Er hatte mir seit unserem Treffen schon dreimal geschrieben. Im letzten Brief, den ich am Vortag erhalten hatte, teilte er mir mit, dass er nach Frankreich abkommandiert würde. Er wollte mir sobald als möglich Näheres schreiben. Er war der Meinung, dass sie alle doch bald nach Hause kämen. Dann würden wir uns wiedersehen. Er freue sich sehr darauf, ich solle nur gut auf mich aufpassen. Er war optimistisch und wusste mich ja gut in Niederau aufgehoben. Zum Schluss schrieb er noch, dass seine Gedanken an mich ihm die Kraft und den Mut gäben durchzuhalten. Ich erzählte Erika, wie ich Florian kennengelernt hatte, aber nichts über den Inhalt seines letzten Briefes. Sie gestand mir, dass auch sie gerne mal jemanden kennenlernen wollte, aber zum Briefeschreiben hätte sie kein Talent. Sie musste zu lange an einem Satz studieren, und das mache doch keinen Spaß.
    »Ach, weißt du, das ergibt sich oft von selbst. Vielleicht lernst du jemanden kennen, an den du nicht schreiben musst. Wo du alles mündlich machen kannst«, meinte ich.
    Erika lachte herzlich.
    »Mündlich? Dann brauch ich auch nicht reden!«
    »Na, da bist du endlich«, meinte Hedy, als ich am Abend zurückkam. »Wo warst du denn so lange?«
    »Ich war noch mit Erika zusammen. Wir haben in einem Café Hausaufgaben gemacht, aber alles schafften wir nicht.«
    Hedy war sehr wortkarg an diesem Abend. Sie interessierte sich auch nicht für die Aufgaben, was sie sonst immer tat. Ich verhielt mich ebenso still. Wer wusste, was der Grund für diese Schweigsamkeit war? Sicher würde sie es mir sagen. Zunächst zog ich mich um. Dazu ging ich in meine kleine Kammer. Auf einmal störte mich, dass ich immer durch Hedys und Max’ Schlafzimmer gehen musste, um in mein kleines Reich zu kommen. Ich öffnete den Kleiderschrank und hatte so das Gefühl, dass an den Fächern für die Wäsche etwas anders war als sonst. Diese kleinen Fächer hatten an jedem Fach gehäkelte Volants, die etwas herunterhingen. Im mittleren Fach hatte ich unter dem Volant den Brief von Florian aufbewahrt, den Hedy mir gestern übergeben hatte. Er lag anders. Hedy hätte ihn ohne Weiteres lesen dürfen, aber ich war gestern der Meinung, als sie mir den Brief übergab, dass es eigentlich keinen Grund gab, weshalb ich immer mein Innerstes vor anderen ausbreiten sollte wie ein offenes Buch. Ich fand einfach, dass ich auch ein Recht darauf hatte, etwas als meine ganz private Angelegenheit zu betrachten. Etwas, das alleine mir gehörte und nicht kaputtdiskutiert wurde.
    Als ich wieder in das Wohnzimmer kam, sah mich Hedy fragend an. Sie stellte die Frage so:
    »Na, willst du mir nicht etwas sagen?«
    »Was möchtest du denn hören?«, war meine Antwort. »Wenn du wissen willst, was in dem Brief steht, so bin ich der Meinung, du hast den Brief doch ohnehin gelesen.«
    »Ja, das habe ich«, gab Hedy zu, »und ich frage mich, was wird, wenn du nun ein Kind bekommst?«
    »Ach«, brachte ich in meiner Sprachlosigkeit nur heraus, »wovon soll ich denn ein Kind bekommen?«
    »Das musst du doch wissen«, meinte Hedy völlig aufgelöst. Ich holte erst einmal tief Luft, dann sah ich Hedy an und überlegte ganz sorgfältig, wie ich diese Situation meistern sollte. Aber

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