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Als Hitler das rosa Kaninchen stahl

Als Hitler das rosa Kaninchen stahl

Titel: Als Hitler das rosa Kaninchen stahl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Kerr
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Tür.
    Eine Welle warmer Luft und ein köstlicher Geruch nach Schokolade und Gebäck schlug ihnen entgegen.
    »Ich trinke eine Tasse Tee, und du kannst ein Stück Kuchen haben«, sagte Mama, »und dann reden wir mal miteinander.«
    »Ist es nicht zu teuer?« fragte Anna mit dünnem Stimmchen.
    »Ein Stück Kuchen können wir uns schon leisten«, sagte Mama, »du brauchst dir ja keins von den ganz riesigen auszusuchen, sonst bleibt uns vielleicht nicht genug Geld für den Fisch.«
    Anna wählte ein Törtchen, das mit süßem Kastanienpüree und Schlagsahne gefüllt war, und sie setzten sich an eins der Tischchen.
    »Sieh mal«, sagte Mama, als Anna die Gabel in ihr Gebäckstück bohrte, »ich verstehe ja, wie schwer es für dich in der Schule ist, und ich weiß, daß du dir Mühe gegeben hast. Aber was sollen wir denn machen? Wir leben in Frankreich, und du mußt Französisch lernen.«
    »Ich werde so müde«, sagte Anna, »und es wird schlechter statt besser mit mir. Vielleicht gehöre ich zu den Menschen, die keine Fremdsprachen lernen können.«
    Mama geriet in Harnisch.
    »Unsinn!« sagte sie. »In deinem Alter gibt es so etwas überhaupt nicht.«
    Anna probierte ein Stückchen von ihrem Kuchen.
    Er war köstlich.
    »Willst du mal probieren?« fragte sie.
    Mama schüttelte den Kopf.
    »Du bist bis jetzt gut vorangekommen«, sagte sie nach einer Weile. »Jeder bestätigt mir, daß deine Aussprache vollendet ist, und dafür, daß wir erst ein Jahr hier sind, hast du schon eine Menge gelernt.«
    »Es kommt mir nur so vor, als käme ich jetzt nicht mehr weiter«, sagte Anna.
    »Aber du kommst weiter!« sagte Mama.
    Anna blickte auf ihren Teller.
    »Schau mal«, sagte Mama, »es geht nicht immer alles so, wie man es erwartet. Als ich Musik studierte, mühte ich mich manchmal wochenlang mit einem Stück ab, ohne etwas zu erreichen - und dann ganz plötzlich, genau als ich das Gefühl hatte, daß es ganz hoffnungslos sei, wurde mir die ganze Sache klar, und ich begriff nicht, warum ich es vorher nicht eingesehen hatte. Vielleicht ist es mit deinem Französisch so ähnlich.«
    Anna sagte nichts. Sie hielt das nicht für wahrscheinlich.
    Dann schien Mama einen Entschluß zu fassen.
    »Ich will dir sagen, was wir machen«, sagte sie, »es sind nur noch zwei Monate bis Weihnachten. Willst du es noch einmal versuchen? Wenn du dann Weihnachten wirklich das Gefühl hast, daß du es nicht schaffst, wollen wir uns etwas anderes überlegen. Ich weiß nicht genau was, denn wir haben kein Geld für eine Privatschule, aber ich verspreche dir, ich überlege mir etwas. Ist es jetzt in Ordnung?«
    »In Ordnung«, sagte Anna.
    Der Kuchen war wirklich ganz vorzüglich, und als sie das letzte bißchen Kastanienpüree vom Löffel geleckt hatte, kam sie sich nicht mehr so sehr wie Grete vor. Sie blieben noch ein Weilchen an dem kleinen Tisch sitzen, weil es so angenehm war, hier zu sein.
    »Wie schön, wenn man mit seiner Tochter zum Tee ausgehen kann«, sagte Mama schließlich und lächelte.
    Anna erwiderte ihr Lächeln.
    Die Rechnung war höher, als sie erwartet hatten, und nun hatten sie doch nicht mehr genug Geld für den Fisch, aber Mama kaufte statt dessen Muscheln.
    Die schmeckten ebenso gut. Am Morgen gab sie Anna ein Briefchen für Madame Socrate, um das Fehlen der Hausaufgabe zu erklären, aber sie mußte noch etwas anderes hineingeschrieben haben, denn Madame Socrate sagte, Anna solle sich wegen der Schule keine Sorgen machen, und sie fand auch wieder Zeit, ihr während der Mittagspause zu helfen.
    Danach schien die Arbeit nicht mehr ganz so schwer. Immer, wenn sie drohte, sie zu überwältigen, dachte Anna daran, daß sie sich nicht ewig würde anstrengen müssen, und dann stellte sich für gewöhnlich heraus, daß sie es doch schaffte.
    Und dann war eines Tages ihre ganze Welt verändert.
    Es war an einem Montagmorgen, und Colette traf Anna am Schultor.
    »Was hast du am Sonntag gemacht?« rief sie - und statt sich die Frage im Geist ins Deutsche zu übersetzen, sich eine Antwort auszudenken und sie ins Französische zu übersetzen, rief Anna zurück: »Wir sind unsere Freunde besuchen gegangen.«
    Die Worte schienen aus dem Nichts zu kommen, sie kamen in vollendetem Französisch, ohne daß sie überhaupt nachdenken mußte. Sie war so erstaunt, daß sie ganz still stehen blieb und nicht einmal Colettes nächste Frage hörte.
    »Ich habe gefragt«, schrie Colette, »ob du die Katze spazierengeführt hast?«
    »Nein, es war zu

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