Als ich lernte zu fliegen
Boden? Hast du’s so mit ihm gemacht?«
Lila antwortet nicht. Sie ist erleichtert und entsetzt zugleich, wie simpel sich Henrys Verhalten erklärt – also ist es doch nur unbegründete, irrationale Eifersucht. Jetzt erkennt sie auch, dass Henry sie nicht mit Leidenschaft vögelt, sondern mit Zorn, wie auch sie es in ihrer bewegten Vergangenheit oft getan hat; von ihm allerdings hätte sie sich das nie träumen lassen. Plötzlich ist er von Eifersucht ergriffen und von innen heraus hässlich geworden, so hässlich, wie sie es in den langen, bitteren Jahren gewesen ist, als sie von ihrem Groll gegen Yasmin zerfressen wurde. Das erschreckende Bild der tränenüberströmten Frau im Spiegel der Umkleidekabine blitzt wieder in ihr auf. Sie weiß nicht, ob sie wütender auf Henry ist oder auf sich selbst, als sie beide schließlich keuchend in die weiße, explosive Leere des Orgasmus stürzen. Bevor sie wieder richtig zu Atem kommt, windet sie sich unter Henry hervor und schlägt ihm heftig ins Gesicht. »So fickst du mich nie wieder«, zischt sie. »Das wagst du nicht!«
»Ach Lila«, stottert Henry immer noch unregelmäßig atmend und stemmt sich in die Höhe; ihre Anklage ernüchtert ihn mit einem Schlag. »Es tut mir furchtbar, furchtbar leid.« Er steht auf und stolpert ins Schlafzimmer hinüber. Lila zieht ihre Kleider zurecht und folgt ihm. Er liegt auf dem Bett, das Gesicht zur Decke, die Hand über den Augen, um die drohenden Tränen zurückzuhalten.
Sie setzt sich auf die Bettkante und fragt schroff: »W ieso hast du dich aufgeführt, als wärst du nicht ganz normal?« Sie weigert sich, Mitleid mit ihm zu empfinden.
»Nicht ganz normal?«, wiederholt Henry mit einem hohlen Lachen. »Das trifft es wohl.« Er schweigt eine Weile und fragt dann: »Schämst du dich für mich, Lila?«
Sie fällt aus allen Wolken. »W ie kommst du denn auf so einen Blödsinn, verdammt?«, fährt sie ihn an, zutiefst gekränkt.
»W arum hast du mich dann vor diesem Typen so unverfroren ignoriert? Warum hast du mich nicht vorgestellt und ihm gesagt, dass du mit mir zusammen bist?« Auch er wird lauter, gereizt durch ihren aggressiven Ton.
»Ich dachte wohl, das versteht sich von selbst«, antwortet Lila. »In diesem Lokal! Kein Mann führt eine Frau ins Nobu aus, wenn er nicht mit ihr schläft.«
»Also, dieser Typ fand das wohl nicht so selbstverständlich; er hat heftig mit dir geflirtet. Hat dich sogar gefragt, ob du dich mit ihm treffen willst«, hält Henry ihr vor.
»Na und?« Lila ärgert sich, dass Henry so viel in eine bedeutungslose Begegnung hineinliest. »Ich habe jedenfalls nicht zurückgeflirtet, sondern mich nur bemüht, höflich zu sein.«
»Es übersteigt die Grenzen der Höflichkeit, wenn du dich von so einem Widerling abschmatzen lässt«, knurrt Henry. »Er hat dich geküsst, zweimal, verdammt viel Zeit hat er sich dabei gelassen! Und ich durfte danebensitzen wie ein Trottel.«
»Du weißt genau, dass es nur ein Küsschen auf die Wange war. Warum regst du dich über Wesley auf?«, fragt sie erbittert. »W arum fühlst du dich von ihm bedroht? Er kann dir doch nicht das Wasser reichen, außer schicken Klamotten und teurer Kosmetik ist nichts dran an ihm …«
»Er sieht bestimmt phänomenal gut aus, oder?«, wendet Henry sarkastisch ein, durch Lilas Antwort nicht im Mindesten beruhigt.
»Ja, er sieht gut aus«, gibt Lila zu. »Blendend sogar. Aber das ist alles nur Oberfläche. Mehr hat er nicht zu bieten. Ich hab überhaupt kein Interesse an ihm. Er ist einfach nicht mein Typ – nicht mehr.« Sie seufzt. »Hör mal, es tut mir leid, dass ich dich nicht vorgestellt hab, wenn das dein einziges Problem ist; ich bin gar nicht auf die Idee gekommen. Du weißt doch, dass ich keine Ahnung von Etikette habe.«
»Oh«, sagt Henry ratlos. Nach längerem Schweigen setzt er sich auf und beginnt zu reden. »Nein, ich bin derjenige, dem etwas leidtun muss. Sehr leid. Jetzt hab ich alles verpatzt, nicht? Alles ruiniert. Ich hatte kein Recht zu sagen, was ich vorhin gesagt habe, als wir …« Er bricht ab, weil er nicht weiß, wie er beschreiben soll, was sie gerade getan haben. »… im Flur«, druckst er schließlich verlegen herum. »Es sollte ein wunderbarer Abend werden, für uns beide, und ich habe ihn ruiniert, weil ich ein unsicherer, eifersüchtiger Idiot war.«
»Du bist immer noch mein unsicherer, eifersüchtiger Idiot«, sagt Lila freundlich; sie findet, dass er nun genug Reue gezeigt hat. »Ich verzeihe
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