Als ich lernte zu fliegen
netter Typ«, sagt Asif erleichtert, endlich ist ihm die passende Formulierung eingefallen. Leider verspielt er seinen Bonus sofort wieder, als er gedankenlos fragt: »Henry, nicht wahr?«
»Natürlich Henry!« Lila zieht sich beleidigt zurück. »W er denn sonst?«
»W ar nur ein Witz«, überspielt Asif seinen Patzer wenig überzeugend. »Meine Güte, du bist vielleicht empfindlich.« Er versucht sich vorzustellen, was Mum oder Dad zu der Ankündigung gesagt hätte; vielleicht sollte er fragen, ob Henry ehrenwerte Absichten hat, doch nach seinem Antrag ist wohl kaum daran zu zweifeln. Vielleicht sollte er fragen, wie Henry für eine Frau zu sorgen beabsichtigt, aber das kommt ihm lächerlich altmodisch und für Lila beleidigend vor. Er bringt nicht ganz den Mut auf, nach dem zu fragen, was auf der Hand liegt. Sein Unbehagen ist deutlich genug, dass Lila es bemerkt.
»W as ist denn los?«, fragt sie enttäuscht. »Freust du dich nicht?«
»Natürlich freue ich mich«, beteuert Asif. »Er ist ein feiner Kerl. Ich mache mir wohl nur ein bisschen Sorgen, ob …« Asif kann sich nicht dazu durchringen, anzusprechen, was ihm auf dem Herzen liegt, und weicht schwach aus: »Bist du nicht noch ein bisschen jung? Und er auch …«
»Ich bin zum Heiraten also noch nicht reif genug«, schnaubt Lila. »Das ist ja die Höhe! Er ist übrigens kein naiver Milchbubi mehr, den ich in die Falle gelockt habe, er ist sechsundzwanzig. Älter als du!«
»Das meine ich doch gar nicht«, windet sich Asif. »Ich habe gemeint … nun ja, er ist ein netter Typ und so …«
»Ich glaube, das sagtest du bereits«, unterbricht ihn Lila sauer. »Aber?«
»Aber lädst du dir damit nicht einiges auf?« Endlich ist es raus, mehr ein Stottern als ein beherzter Einwand. »Ich meine, du wirst dich um ihn kümmern müssen. Du kennst ihn erst seit sechs Monaten, aber wenn ihr heiratet, dann geht das ein Leben lang so. Das ist viel Verantwortung.«
»Ist der Einwand nicht ein bisschen unglaubwürdig, wenn er ausgerechnet von jemandem kommt, der gerade etwas mit einer alleinerziehenden Mutter mit Baby angefangen hat? Ist das nicht auch viel Verantwortung?«, kontert Lila.
»Ja, aber ich bin daran gewöhnt«, rutscht es Asif taktlos heraus. Einen Augenblick zu spät wird ihm klar, was er da gesagt hat, und er wirft Lila einen nervösen Blick zu. Du lieber Himmel, wie wird sie reagieren? Er ist sehr erleichtert, als sie anfängt zu lachen.
»Da hast du allerdings recht, du bist wirklich daran gewöhnt. Aber mach dir keine Sorgen, dass ich mich um Henry kümmern muss. Eigentlich kümmert er sich mehr um mich, ob ich will oder nicht!« Asif bleibt eher skeptisch, und Lila fühlt sich zu weiteren Erklärungen gedrängt, nicht, weil sie ihrem Bruder etwas beweisen müsste, sondern weil sie möchte, dass er sie versteht. »Ich meine nicht nur Sachen wie die Boilerreparatur. Er denkt über Dinge nach, die wirklich wichtig für mich sind. Zum Beispiel hat er für mich einen Termin bei einem neuen Dermatologen gemacht. Der hat mir ein fantastisches Medikament verschrieben, Antihistaminika, die meinen Juckreiz dämpfen, vor allem nachts. Die ganzen Jahre hatte ich das Gefühl, meine Haut würde innen brennen – verrückt, dass keiner meiner anderen Ärzte auf die Idee gekommen ist, dieses Medikament bei mir auszuprobieren, anscheinend wird es oft bei Heuschnupfen angewendet. Meine Haut sieht vielleicht immer noch schlimm aus und wird ziemlich rau, aber wenigstens spüre ich nicht mehr ständig diesen inneren Flächenbrand. Außerdem bin ich durch Henry zu der Einsicht gekommen, dass ich mein Kunststudium wieder aufnehmen sollte, denn das Leben ist einfach zu kurz, um es mit Kellnern zu verschwenden und nicht das zu tun, was mir wirklich wichtig ist.« Noch einmal richtet sie diesen offenen Blick auf Asif und legt ihm die Hand auf den Arm. »Aber im Grunde zählen diese Dinge gar nicht. Es zählt nur, dass ich Henry liebe, Asif. Ich liebe ihn wirklich.« Dass auch Henry sie liebt, erwähnt sie gar nicht; eitel, wie sie ist, nimmt sie an, dass sich das von selbst versteht.
»Ach Lila«, sagt Asif erleichtert, »ich freue mich ja so für dich.« Er breitet die Arme aus und drückt seine Schwester an sich. Er erkennt, dass Henry Erfolg hatte, wo er selbst gescheitert ist. Warum hat er sich die ganze Zeit, als er sich um Yasmin kümmerte, nicht auch um Lila gekümmert oder wenigstens bemerkt, dass auch sie ein bisschen Aufmerksamkeit gebraucht hätte? Warum
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