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Als ich lernte zu fliegen

Als ich lernte zu fliegen

Titel: Als ich lernte zu fliegen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roopa Farooki
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Henry es wagen, sie so abzuservieren, wie kann er es wagen, die todhässliche, aber ach-so-liebe-und-gute Antonia, das Goldherzchen, seine ach-so-bedeutungslose Ex, großmütig und selbstlos zu verteidigen, und dann Lila, seine Freundin, einfach an der Park Lane stehen zu lassen wie bestellt und nicht abgeholt? Vor allem nach diesem romantischen, irre teuren Essen; du lieber Himmel, er wollte sogar Champagner kommen lassen, wieso will er dann nicht mit ihr schlafen? Lila hat keine Lust, zu sich nach Hause zu fahren, und beschließt, Henrys rätselhafte Abfuhr einfach nicht hinzunehmen. Sie geht bis Hyde Park Corner und steigt in die U-Bahn nach Putney.
     

     
    Als Lila bei Henry ankommt, ist er nicht da. Der Nachbar lässt sie ins Haus, und sie setzt sich auf die Treppe, die zu Henrys Wohnung hochführt, kontrolliert viel zu oft ihr Handy und wünscht, sie hätte eine Zeitschrift dabei. Langsam verfliegt ihre Wut ein wenig; gerade als sie anfängt, sich Sorgen zu machen, betritt Henry das Haus. »W ieso hast du so lange gebraucht?«, fragt sie ihn rundheraus. Sie weiß nicht, wie sie sich nach der seltsamen Szene im Restaurant verhalten soll.
    »Ich habe im Pub noch ein Bier getrunken. Oder zwei. Oder drei«, sagt Henry. Anscheinend ist es ihm völlig egal, warum Lila überhaupt hier ist. Sie sagt nichts dazu; sie weiß, dass Henry fast nie allein trinkt. Es überrascht sie, dass er nicht im Mindesten betrunken wirkt, jedenfalls nicht auf den ersten Blick; sie merkt es nur daran, dass er noch ernster ist als sonst. Sein Gesicht ist absolut ausdruckslos, und Lila hätte ihn am liebsten in die Rippen geboxt, nur um ihm eine Regung zu entlocken, aber sie verkneift sich den fiesen Drang. So hat sie ihn noch nie erlebt. Zum ersten Mal lässt er durchblicken, dass er kein Engel ist, dass auch er sich unmöglich benehmen kann.
    Wortlos folgt sie ihm die Treppe hinauf zu seiner Wohnung. Er macht die Tür auf, dreht sich um und sagt: »Ich würde dich ja hereinbitten, aber ich fühle mich nicht ganz wohl. Vielleicht lege ich mich gleich ins Bett.« Ohne jedes Lächeln schickt er sich an, ihr die Tür vor der Nase zuzumachen, aber sie ist schneller und geht ungerührt hinein. Sie weiß nicht, warum er solche Zicken macht, ist aber nicht gewillt, ihn jetzt allein zu lassen. Letzten Endes ist Henry auch nur ein Kerl, und Lila hat reichlich Erfahrung, wie man mit Kerlen fertig wird.
    »Ich glaube, ich weiß, wie ich dein Befinden verbessern kann. Wahrscheinlich müssen wir dazu nicht mal bis zum Bett«, sagt sie nur, tritt auf ihn zu, presst sich an ihn, hebt den Kopf und küsst ihn wild auf die reglosen Lippen. Befriedigt stellt sie fest, dass Henry nach kaum einer Sekunde reagiert; er erwidert ihren Kuss erst genauso wild, dann immer wilder, greift ihr in die Haare und stößt sie gegen die Wohnungstür. Leidenschaft, denkt Lila, hat sie sich nicht immer danach gesehnt, nach der explosiven Leidenschaft, mit der sich Liebende nach einem Streit versöhnen? Aber noch während sie die reine Triebhaftigkeit der Umarmung genießt, die Kraft in Henrys Armen, als er sie praktisch hochhebt, ist sie von sich selbst enttäuscht. Und von Henry – so leicht also lässt er sich von ihr manipulieren. Sie reißt ihm grob und rücksichtslos die Jacke herunter, und sie sinken auf den Boden, fummeln an Knöpfen, an Reißverschlüssen, zerren Stoff nach oben, nach unten. Das ist nicht richtig, denkt Lila, als sie Henrys Mund hart auf dem ihren spürt; er küsst sie mit einer hungrigen Verzweiflung, als wäre es das letzte Mal. Ihr Tun kommt ihr irgendwie schäbig vor, sie fühlt sich unerklärlich beschmutzt, obwohl sie mit Henrys Vorgängern Dutzende Male heftigen, überstürzten, kaum ausgekleideten, kaum Liebe zu nennenden Sex gehabt hatte. »Henry«, stößt sie atemlos hervor, während sie ihren Herzschlag spürt, die Blutzirkulation, die qualvoll köstliche Spannung, die sich in ihrem Körper aufbaut – er soll unbedingt wissen, dass es so zwischen ihnen nicht gemeint sein kann, dass sie einander auf diese animalische Weise, ohne Zärtlichkeit und tiefere Bedeutung, nicht bloßstellen können. »Henry«, versucht sie zu erklären, »es ist ganz anders …« Aber sie kann ihren ruckartigen Atem nicht mehr kontrollieren und merkt erst später, wie missverständlich ihre Worte waren.
    »Erinnerst du dich endlich wieder an meinen Namen?«, flüstert Henry verbittert. »Ist es das, was du willst? Eine schnelle Nummer an der Tür, auf dem

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