Als ich lernte zu fliegen
noch zusetzt. Schließlich ist die Sache schon fast zehn Jahre her.
»Ich wollte nicht sarkastisch sein«, sagt Henry; der Vorwurf scheint ihn leicht zu kränken.
»W arum hast du dann so blöd gegrinst?«, hält Lila ihm entgegen.
»W eil du nicht abgestritten hast, dass wir ein richtiges Date miteinander haben«, sagt er. Diesmal strahlt er über beide Ohren. »Ich bin geschmeichelt.« Sein Lächeln hat etwas Unschuldiges, wie bei einem Chorknaben, ist so licht, dass es plötzlich seine blasse Haut über den markanten Wangenknochen zum Leuchten bringt. Lila ertappt sich dabei, dass sie ihn anstarrt; einen Moment lang ist sie völlig perplex, dann fängt sie sich wieder und begreift, was er da gesagt hat.
»Ich bin nicht sicher, ob das hier ein Date ist«, platzt sie ganz unverblümt heraus. Das Leuchten in Henrys Gesicht erlischt, und sie kommt sich wieder gemein vor. »Schau mich nicht in diesem Ton an«, frotzelt sie und hofft, sie bringt ihn damit wieder zum Lächeln. »Ich wollte damit nur sagen … na ja, du hast schon genug am Hals, da musst du dir nicht auch noch ein Biest wie mich anlachen.«
Henry zuckt zusammen. »Ich wünschte, du würdest aufhören, dich ständig runterzumachen, das ist vollkommen unnötig.«
Lila zuckt wieder mit den Achseln. »Nur weil etwas unnötig ist, heißt das nicht, dass wir es nicht tun sollten. Fluchen ist unnötig. Tattoos, bunte Socken oder Nasenringe auch …«
»So ganz hast du mich mit der Wahl deiner Beispiele nicht überzeugt«, sagt Henry. »W ie wär’s mit Austern, Bier und Faulenzen am Strand?«
Lila lacht. »Alles zusammen ergäbe ein fantastisches Date.«
»W as mich zu dem zurückbringt, was ich eigentlich sagen wollte«, sagt Henry. »W enn wir kein Date miteinander haben, was denn dann?«
»Keine Ahnung«, sagt Lila. »W ir machen eben Konversation, vermute ich mal.«
»Ah«, sagt Henry, und weil er es anscheinend nicht ertragen kann, so wenig zu sagen, fügt er hinzu: »Paradoxerweise war diese Bemerkung ein ziemlicher Gesprächskiller, findest du nicht?«
»Ich sollte sowieso allmählich gehen«, stellt Lila fest; diesmal schiebt sie das schlechte Gewissen von sich weg. Es wäre viel schlimmer, Henry länger hinzuhalten, denn sie findet ihn nicht im Geringsten attraktiv mit seinen grässlichen Klamotten, dem Dreitagebart, den viel zu dünnen Haaren und den viel zu geraden Wimpern. Er ist dermaßen blass und englisch, dass er erst ein bisschen Sonnenbräune bräuchte, um die Bezeichnung »W eißer« überhaupt zu verdienen.
»Na dann«, sagt Henry ein wenig traurig. Lila ist gerührt; er scheint sie wirklich zu mögen. »Aber ich wollte dich noch etwas fragen, falls es nicht zu persönlich ist. Was hat Fergus denn gesagt, dass du ihn nicht mehr sehen wolltest?«
»Ach nichts, es war nur eine blöde Bemerkung«, murmelt Lila. Henry scheint sie eindringlich anzusehen, er kneift wieder die Augen zusammen, wie er es manchmal tut, und sie wiederholt: »Ich habe dich gebeten, schau mich nicht in diesem …«
»… Ton an«, fällt ihr Henry ins Wort. »Beim ersten Mal war’s lustiger.« Er fügt hinzu: »Du musst es mir nicht erzählen, wenn du nicht willst.«
»Oh Mann, natürlich muss ich das nicht.« Lila seufzt. Ihr kommt der Gedanke, dass sie Henry wahrscheinlich nie wiedersehen wird. Sie hat ihm ziemlich deutlich gemacht, dass sie kein Interesse an ihm hat, und ihm keinen weiteren Anlass gegeben, sie wieder anzurufen. Der Film wird bald abgedreht sein, dann haben sie keine Berührungspunkte mehr, und er wird aus ihrem Leben verschwinden. Unvermittelt wird sie von einer absurden Wehmut ergriffen, als hätte sie einen Freund verloren, den sie nie gehabt hat. Vielleicht ist es doch netter, jemanden zum Reden zu haben, als sie zugeben will; vielleicht ist sie einsamer, als sie zugeben will. Sie kommt zu dem Schluss, dass sie die Gelegenheit genauso gut nutzen und Henry erzählen kann, was Fergus gesagt hat, denn ganz bestimmt wird sich nie wieder ein Mensch dafür interessieren. »Er hat beim Rumknutschen nur gesagt, dass sich die Haut auf meinen Armen anfühlt wie Sandpapier. Er hat gesagt, wahrscheinlich hätte er weichere Arme als ich.« Sie kommt sich richtig bescheuert vor, weil diese winzige, belanglose Bemerkung sie so getroffen hat; leise fügt sie hinzu: »Dabei hat er es nicht einmal böse gemeint. Es war eine Tatsache. Es war einfach so.«
Sie sieht Henry wieder an und rechnet fast damit, dass er lacht oder den Kopf schüttelt. Aber
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