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Als ich lernte zu fliegen

Als ich lernte zu fliegen

Titel: Als ich lernte zu fliegen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roopa Farooki
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widerstrebt es ihm, seinen ordentlichen Umschlagstapel Terrys Schludrigkeit zu überlassen. Ich kann nicht mal eine Postsendung delegieren, ärgert sich Asif plötzlich über sich selbst; genau an solchen Dingen wird schmerzhaft deutlich, dass er es nie in die Führungsriege schaffen wird, egal, wie übersichtlich seine Tabellen sind. Er betritt mit Hector den Lift, und da ihm das Schweigen unbehaglich ist, fragt er höflich: »Gibt es heute eine Einführungsveranstaltung für die Graduierten?«
    »Nein, dieser ganze Mist wird später erledigt«, antwortet Hector. »Heute Abend kommen uns die Leute, denen wir einen Platz für September angeboten haben, nur mal beschnuppern. Die meisten sind noch an der Uni. Wir müssen sie einfach abfüllen, damit sie uns in einem rosigen Nebel sehen und sich auf den Eintritt bei uns freuen. Und dann werfen wir sie den Haien vor …« Wieder lacht Hector. So viele Worte hat Asif seit seinem eigenen Stehempfang vor drei Jahren nicht mehr mit Hector gewechselt; damals erschien er ihm als der beeindruckendste Mensch, der ihm je begegnet war. Die Art von Mann, die Asif selbst werden könnte, wenn er nur hart genug arbeitete, dachte er damals – könnte ihm die Firma nur ein so aufgeplustertes Selbstbewusstsein vermitteln, wie Hector es besitzt, dann wäre das die Antwort auf all seine Gebete.
    Asif folgt Hector in den Sitzungssaal. Wahrscheinlich sind genug Leute da, hofft er, so dass er selbst nicht aktiv werden muss. Er ist hier wirklich nur als Lückenfüller gefragt, der für ein bisschen Hintergrundgeräusch und Belebung zu sorgen hat, ansonsten aber ist er unwichtig. Er nimmt sich einen Drink und steht plötzlich neben Ravi aus der Finanzdienstleistung. »Na, hat’s dich auch erwischt?«, fragt er ihn.
    »Sieht so aus«, sagt Ravi und setzt trocken hinzu: »Hector Protektor ist mit einem solchen Tempo bei uns reinmarschiert, dass ich mich nicht schnell genug aufs Klo verdrücken konnte, er hat mich gesehen.« Er stößt mit seinem Wein – gegen Asifs Bierglas. »W enigstens können wir uns hier kostenlos besaufen.«
    »Sind wir schon komplett?«, fragt Asif und blickt zur Runde der sechs Graduierten hinüber. Die Jungs sehen etwas linkisch aus in ihren Anzügen und den Krawatten, die sie entweder zu Weihnachten geschenkt bekommen oder von ihren Vätern geliehen haben; die Mädchen dagegen wirken recht ansprechend mit ihrem glänzenden Haar und den neuen Stöckelschuhen, auch wenn sich die eine geräuschvoll die Nase putzt, die andere mit dem blasierten Blick einer typischen Blondine um sich wirft und die dritte zu laut lacht. Bei ihnen stehen die drei Damen aus der Personalabteilung und die Abteilungsleiter, für die die Graduierten arbeiten werden, dazu Hector, der mit einer frisch angeschnittenen Zigarre und einem Glas Champagner Hof hält.
    »Nein, wir warten noch auf Matt und Lynn aus der Marketing-Abteilung«, sagt Ravi. Asif nickt; Lynn kennt er nicht, aber Matt mag er gern, Leiter der Internen Kommunikation, überdrehte Frohnatur und einer von Ravis besten Freunden. Gruppen wie diese bringt er immer in Schwung, indem er alberne Gespräche anleiert. Er lässt die Leute im Kreis antreten und mutet ihnen zu, Fragen zu beantworten wie: »Jetzt erzählt doch mal, was war eure erste Schallplatte, die ihr gekauft habt? Und was ist euer Lieblingsfilm? Und für welches Fußballteam seid ihr, und aus welchen Gründen, um Gottes willen?«
    Ein Manager aus der Unternehmenssanierung schlendert zu ihnen herüber. »Na, wie findet ihr die neuen Talente?«, fragt er und nickt auf eine Art zu den Mädchen hinüber, die Asif ziemlich daneben findet. Die leicht glasigen Augen des Mannes verraten ihm, dass der Typ sich bei der Anstrengung, die ihn der Smalltalk kostet, schon einen angetrunken hat.
    »Erkältet, unterkühlt, überhitzt«, antwortet Ravi prompt. Die knackige Kurzdiagnose bringt Asif zum Lachen.
    »Aber du würdest doch trotzdem … oder nicht?« Der Manager grinst anzüglich; er ist wahrscheinlich doppelt so alt wie die Mädchen, und Asif wird ein bisschen schlecht.
    »Nein, würde ich nicht. Ich bin verheiratet, Percy, weißt du nicht mehr?« Ravi klopft stolz auf seinen Ehering. Asif überlegt, wie er sich von Percy abseilen kann, und stürzt in einem einzigen langen Zug sein Bier hinunter, damit er einen Vorwand hat, zum Tisch mit den Getränken hinüberzugehen. Nach dem letzten Schluck sieht er durch den Boden seines Glases Mei Lin in den Raum treten, begleitet von Matt

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