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Als könnt' ich fliegen

Als könnt' ich fliegen

Titel: Als könnt' ich fliegen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ravensburger
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Schritte entfernten. Hardys Stiefel hallten lange nach. Erst jetzt begriff ich, dass der Gestank von meinem eigenen Erbrochenen kam. Ich lag direkt daneben. Angewidert rappelte ich mich auf und schleppte mich nach Hause. Irgendwie schaffte ich es, mich so durchs Treppenhaus zu schleichen, dass weder mein Vater noch Marlies mich hörten.
    Unmöglich konnte ich Milena all das erzählen. Ich begriff selbst erst nach und nach, was sich ereignet hatte. Auch wenn die Hintergründe weiter im Verschwommenen lagen. Aber sosehr ich mir auch das Hirn zermarterte, ich kam zu keiner befriedigenden Erklärung. Was hatte er gemeint? Wer sollte mich nach der Wette fragen und warum? Und weshalb sollte ich dann so tun, als ob ich die Wette angenommen hätte? Mir schien, dass das Ganze hinten und vorn überhaupt keinen Sinn machte.
    »Wann erstattest du Anzeige?«, fragte Milena. Dass ich es tun würde, daran hatte sie keinen Zweifel.
    »Gar nicht«, sagte ich. Auch ich hatte keinen Zweifel, wenn auch in die umgekehrte Richtung.
    »Angst?« Es klang nicht verächtlich.
    »Nein«, behauptete ich trotzdem sehr schnell.
    »Komisch«, meinte sie. » Ich hätte Angst. Aber ich würde es trotzdem tun. Vielleicht gerade deshalb.«
    Verdattert guckte ich sie an. »Warum sollte ich es tun, wenn ich Angst davor hab? Ich meine, wenn ich sie hätte ?«
    »Meine Freundin Lena und ich«, sagte Milena, »wir hatten ein Motto.«
    »Und?« Ich hatte keine Ahnung, auf was sie hinauswollte.
    »Wo die Angst ist, geht’s hin.«
    »Soll das heißen, man soll Dinge tun, vor denen man Angst hat?«
    »Manchmal ja«, sagte sie. »Vor allem soll es heißen, dass sich nichts ändert, wenn man seine Angst nicht manchmal überwindet. Und dass die Angst irgendwann größer wird als man selbst. Dann kann man nicht mehr mit gutem Gefühl in den Spiegel gucken.« Sie lächelte etwas. »Auch nicht, wenn das Veilchen wieder weg ist. Beim Thema Selbstachtung und Selbstverachtung bin ich Fachfrau.«
    »Ich weiß nicht«, sagte ich. »Was hab ich davon, wenn die beiden vor Gericht kommen?«
    »Die Frage meinst du jetzt aber nicht ernst«, behauptete sie. »Weißt du, wo das nächste Polizeirevier ist? Dann erledigen wir das gleich zusammen. Okay?«
    »Was ist denn mit dir passiert?« Der Spott in Ilkas Stimme war weniger beißend, als ich erwartet hatte. Möglicherweise klang da sogar ein wenig Schrecken mit. Sie kam gerade die Treppe runter.
    »Ich hab versucht, einem Kampfhund das Bellen abzugewöhnen.« Ich war auf dem Weg hoch in mein Zimmer. Wir gingen aneinander vorbei.
    »Sehr witzig«, meinte sie. Natürlich musste sie denken, dass ich sie auf den Arm nehmen wollte.
    »Eigentlich nicht«, sagte ich mehr zu mir selbst. Mir war klar, dass sie mich nicht verstehen konnte.
    »Kannst du nicht einmal ernst sein? Du siehst echt schlimm aus.« Sie war jetzt unten angelangt, ich stand auf der obersten Stufe.
    »Dann hat sich ja nichts geändert«, meinte ich. »Das sagst du sonst doch auch. Warum sollte ich deshalb besonders ernst sein?« Ich ging weiter in die Richtung meines Zimmers.
    »Dann nicht!«, rief sie mir hinterher. »Blödmann!«
    Ich drehte mich noch einmal um, aber sie war bereits verschwunden. Ich hörte die Haustür zuknallen. Da, wo sie gerade noch gestanden hatte, war jetzt mein Vater. Er sah mich an.
    »Warum gibst du ihr keine Chance?«, fragte er.
    »Weil sie keine Chance von mir will«, sagte ich.
    »Den Eindruck hatte ich gerade nicht.« Er verschwand in der Küche.

16
    3. September, 22 Uhr
    Tobias war nicht dazu zu bewegen, mit mir zur Polizei zu gehen. Er blieb hartnäckig dabei, dass er keine Anzeige erstatten wollte. Ich glaube, dass er Angst hat vor der Rache dieser Typen. Das verstehe ich auch. Aber ich glaube auch, dass da noch etwas anderes mit im Spiel ist. Irgendwas, das auch mit Angst zu tun hat. Einer Angst allerdings, die ich nicht so leicht greifen kann wie die erste.
    Je länger ich darüber nachdenke, umso sicherer werde ich, dass die Attacke gegen Tobias etwas mit der Schallplatte zu tun hat. Die Platte, die dieser Dennis damals auch im Shark dabeihatte.
    Aber ich stochere im Dunkeln, wenn ich mich nach dem Zusammenhang frage. Aus Tobias ist nichts herauszukriegen. Irgendwas an der Sache ist oberfaul. Ich weiß nur noch nicht, was. Aber ich werde es herauskriegen. Als Erstes werde ich mir morgen Björn schnappen. Wenn einer was weiß, dann er.
    4. September, Mittwoch, 3 Uhr
    Ich kann mal wieder nicht schlafen. Ich habe einen Plan

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