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Als Mrs Simpson den König stahl

Als Mrs Simpson den König stahl

Titel: Als Mrs Simpson den König stahl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juliet Nicolson
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erwidert, bevor sie eine recht ausführliche Korrespondenz mit Lady Myrtle eröffnete, in der sie die Fruchtbarkeit des torfigen Bodens in Yorkshire mit der der kalkhaltigen Erde an der Südküste verglich. Im vergangenen Jahr hatte diese eigentümliche Verbindung Vera ermutigt, ein paar Tage ihres Urlaubs in Yorkshire zu verbringen. Sie hatte das Münster besichtigt und Lady Myrtle einen Besuch abgestattet, um ihre persönliche Bekanntschaft zu machen.
    »Lady Myrtle war höchst zuvorkommend, und wir haben ein paar angenehme Stunden in ihrem Garten verbracht«, hatte Vera nach ihrer Rückkehr berichtet. Während sie sprach, zuckte ihre trockene Oberlippe.
    Nachdem Joan ihren Schlaganfall erlitten hatte, überwand sich Philip, seiner Schwägerin zu schreiben. Der Brief war so freundlich abgefasst, wie es eben ging, aber Philip erklärte, dass die Ärzte von sämtlichen Besuchern abgeraten hätten, solange Joan nicht das Bewusstsein wiedererlangt habe. Obwohl Joan unlängst ins Landkrankenhaus verlegt worden sei, würde eine Begegnung der beiden Schwestern zu diesem Zeitpunkt weder Joan noch Myrtle guttun. Joan würde Myrtles Anwesenheit nicht
wahrnehmen und der Anblick ihrer nicht reagierenden Schwester Myrtle unweigerlich quälen.
    Daher registrierte Philip mit einer Mischung aus Überraschung, Besorgnis und Missvergnügen, dass Myrtle in dem mit charakteristischer grüner Tinte abgefassten Brief einen Besuch in Sussex noch in dieser Woche andeutete. Sie habe Lust auf einen kurzen Aufenthalt in der Nähe der Südküste. In letzter Zeit habe sie sich etwas kraftlos gefühlt und glaube, die Seeluft werde sie beleben. Philip sah vom Brief auf und schob seine Brille auf die Nasenspitze.
    »Sie hat kein Telefon. Das hält sie für eine unnötige Ausgabe. Und natürlich ist sie zu geizig, ein Telegramm zu bezahlen. Sie wird ihre Reise unterbrechen, um in ihrem Club am Hyde Park Corner zu übernachten, einem ausschließlich Frauen vorbehaltenen Etablissement, soweit ich unterrichtet bin. Und dann wird sie den Zug von der Victoria Station nehmen und Freitagnachmittag in Polegate ankommen. Und das ist morgen.«
    Philip ließ den Brief sinken, zog die Brille ab und rieb sich die Augen.
    »Das ist wirklich die Höhe, Evangeline. Ein Besuch zu diesem Zeitpunkt kommt uns gar nicht gelegen und ist auch nicht willkommen. Die Kinder sind in Berlin. Ich bin für mehrere Nächte außer Haus, um in Chequers Gespräche mit dem Premierminister zu führen. Und ich habe vor, erst nach dem Wochenende zurückzukehren.«
    Evangeline spürte, wie der Zorn ihn übermannte. Sie bot ihm einen Scone an, aber er winkte ab.
    »Mrs Cage und Florence brechen morgen nach Bognor Regis auf«, fuhr er mit erhobener Stimme fort. »Auch Hooch hat seinen Jahresurlaub angetreten und ist bei seinem Bruder in Holkham. Die Köchin wird ihren seltsamen Freund, den Vikar, in Winchester besuchen. Gott sei Dank hat die Londoner Köchin Dienst. Vermutlich könnte ich sie für ein, zwei Tage herkommen lassen, solange ich weg bin, aber das heißt, dass zu Hause nur
noch die beiden Zimmermädchen die Stellung halten und May Myrtle zum Krankenhaus und zurück fahren muss.«
    »Warum kann ich dich nicht vertreten?«, unterbrach ihn Evangeline. »Du brauchst Myrtle doch nur zu erklären, dass du dieses Wochenende zu tun hast. Das ist ja auch die Wahrheit.«
    Philip setzte seine Brille wieder auf und musterte Evangeline zweifelnd.
    »Vertrau mir, Philip. Ich versichere dir, gemeinsam werden May und ich mit Myrtle schon fertig. Lass die Londoner Köchin nur. May ist durchaus imstande, das ein oder andere Gericht zuzubereiten; das hat sie auf ihrer Zuckerinsel gelernt. Ich glaube, irgendetwas mit Bohnen und Reis, und ich kann ja versuchen, ihr zur Hand zu gehen. Was meinst du?«
    Philip sah sie an und plusterte die Backen auf, ein sonderbarer nervöser Tick, den sie schon oft an ihm gesehen hatte, etwa wenn er Rupert wegen eines Vergehens zur Rede stellen wollte oder sich auf eine schwierige Unterredung mit einem führenden Politiker vorbereitete. Auch Joan hatte die Angewohnheit, die Wangen aufzublähen. Seltsam, wie Eheleute sich ihre kleinen Ticks voneinander abschauten.
    »Ich weiß nicht so recht. Ich meine, ein guter Vorschlag ist das schon. Aber würdest du wirklich zurechtkommen? Ich meine, Myrtle könnte ein paar Nummern zu groß für dich sein, falls du weißt, was ich meine«, fügte er hinzu, da er das Gefühl hatte, ihr für diese Wendung eine Erklärung

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