Als Musik meine Sprache wurde - Die offizielle Autobiografie (German Edition)
Dann demonstrierte er, was er mit »Sage Ja« gemacht hatte, und ich war vollkommen von den Socken. Die Qualität meiner Aufnahmen war mit Sicherheit nicht schlecht, aber es war doch sehr beeindruckend, was in einem professionellen Studio noch alles verbessert werden konnte.
Die Rhythmen waren verändert, der Bass ausgetauscht – der ganze Sound wurde durch Kompressoren gejagt und mit High-End-Technik so veredelt, bis alles sehr viel wuchtiger und fetter klang.
Irgendwann stand ich dann in der Gesangskabine, hatte den Kopfhörer auf und sang die Strophen ein – so, wie ich es bei mir zu Hause eigentlich auch gemacht hatte. In dem Studio des Produzenten jedoch klang alles wesentlich besser und nach rund einer Stunde war der Gesangspart im Kasten. Am Ende fragte der Produzent Clint nach einem Gitarristen, der noch ein paar Riffs einspielen könnte, schließlich sei es ohnehin wichtig, jemanden dabeizuhaben, wenn der erste Liveauftritt anstehe …
Ich war wie versteinert. Was hatte ich da gehört? Ein Liveauftritt? Ich? Auf einer Bühne? Vor Publikum?
Tausend Dinge schossen mir plötzlich durch den Kopf. All die bösen Geister waren – wie von Zauberhand geholt – plötzlich wieder in meinem Kopf. Der Rektor und seine Prophezeiung, der Spott in der Schule, bei der Bundeswehr. Was bitte hätte ich – bei meiner Vorgeschichte – auf einer Bühne verloren gehabt?
Ich muss gestehen, dass ich in jenen Tagen ohnehin in einer naiven Gedankenwelt gelebt habe. Mein ganzer Fokus lag allein auf einem Plattenvertrag. Das war für mich das Zauberwort. Ich dachte, mit einem Plattenvertrag würde alles erledigt sein. Dass sich nicht jede CD mehrere Hunderttausend Mal verkauft, kam in meinem Denken nicht vor. Ich wollte meine Musik in einem Plattenladen finden und dann – so dachte ich – hätte ich es geschafft. Kein Gedanke an die unzähligen Künstler, die ihre Platten auf den Markt warfen, und keiner wollte sie haben. Kein Gedanke daran, dass es immer nur eine Handvoll Neulinge in die Charts schafften. Und: Kein einziger Gedanke darüber, dass zu einer CD in der Regel auch eine Tour gehörte.
Ich glaube, mir wurde damals schlecht. Ein Liveauftritt hieß, vor Menschen zu stehen und zu performen, und das konnte ich mir in diesem Augenblick nun wirklich nicht vorstellen. Ich ließ es mir aber nicht anmerken und versuchte, den Gedanken einfach wieder zu verdrängen. Ich redete mir ein, dass dies noch eine ganze Weile dauern würde, und somit verflog mein flaues Gefühl nach kurzer Zeit auch wieder und ich schob meine Gedanken an einen Liveauftritt ganz weit nach hinten.
Am folgenden Tag kam auch schon ein Gitarrist in das Studio, spielte die Parts ein, die ich an meinem Synthesizer elektronisch simuliert hatte, und es klang unglaublich. Der Produzent war sichtlich zufrieden. Als wir gingen, saß er vor den riesigen Lautsprecherboxen und hörte sich zufrieden nickend unser erstes gemeinsames Werk an.
Der Livemensch
Auf dem Nachhauseweg beunruhigte mich erneut der Gedanke an ein Livekonzert. Ich hatte schlichtweg Angst, auf der Bühne zu scheitern. Ich fragte Clint, ob er sich schon Gedanken gemacht hätte, und er meinte, er kenne einen Typen, der in diesem Geschäft schon mit den ganz Großen zusammengearbeitet hätte. Ich war mal wieder verwundert, wen Clint so alles kannte, und kaum hatten wir darüber gesprochen, hatte er auch schon einen Termin ausgemacht. Mit einem Mal war erstaunlich viel Zug in diesem Projekt – ein Phänomen, das ich in der Vergangenheit nie kennenlernen durfte.
Als ich Tage später in Clints Wohnzimmer kam, saß ein äußerlich unscheinbarer Mensch in der Ecke, der sich jedoch umso lautstarker und auffallend überdreht präsentierte. Er plapperte schon davon, was er sich alles ausgedacht hätte, wie ich auf der Bühne rüberkommen könnte. Dank ihm könnten wir das direkt auf einem Level machen, wie es sonst nur absoluten Topstars vergönnt wäre. Er habe schließlich schon mit den ganz Großen zusammengearbeitet und die hätten – wohlweislich – immer auf ihn gehört.
»Unheilig«, so proklamierte er, würde in kürzester Zeit eine feste Größe in der Live-Welt werden – dafür stehe er und er kenne genügend Leute, die einiges bewegen könnten. Alles kein Problem!
Zunächst bräuchte es jedoch ein Livekonzept. »Wie sieht die Band aus?«, wollte er als Erstes wissen. »Sie steht vor dir«, gab ich leise zur Antwort. Sein lautes Lachen ging in ein hartnäckiges Husten
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