Als Musik meine Sprache wurde - Die offizielle Autobiografie (German Edition)
stand ich in meinem neuen Outfit vor dem Spiegel und war eigentlich ganz zufrieden. Bis auf meine Geheimratsecken, die immer schlechter zu verbergen waren. Ich überlegte, meine Haare abzuschneiden, und versuchte mir vorzustel len, wie ich damit aussah, aber ich brachte es einfach nicht fertig. Nur bei meinem Bart war die Hemmschwelle um einiges geringer.
Ich nahm den Rasierer und fing an, in meinem Gesicht herumzurasieren. Ein bisschen hier, ein wenig dort, und irgendwann war alles wegrasiert – bis auf die beiden Ecken am Kinn. Ich rasierte sie dann so zurecht, dass sie einigermaßen symmetrisch wurden, und fand dieses kleine Kunstwerk am Ende richtig cool. Aber die ganze Sache war nun nicht mehr stimmig, denn der Bart passte nun gar nicht mehr zu meiner alten Frisur …
Ohne weiter darüber nachzudenken, nahm ich mir den Langhaarschneider, schloss die Augen und rasierte mir einmal Quer über den Schädel. Ich öffnete die Augen und sah eine schneeweiße Linie auf meinem Kopf, die in der Folgezeit immer breiter wurde. Als ich fertig war, seifte ich mir die Rübe mit Rasierschaum ein und rasierte letztlich alles weg. Gar nicht so schlecht, dachte ich im ersten Augenblick – wenn auch unwirklich weiß. Ich setzte mir eine Mütze auf und ging noch am selben Abend in eine Sonnenbank. Nur das Anfängerprogramm, dachte ich mir …
Nach 15 Minuten war noch immer alles weiß, aber offenbar brauchte so etwas ein wenig Geduld. Am folgenden Morgen jedoch wachte ich mit Schmerzen auf. Aus dem gediegenen Weiß war ein infernales Rot geworden. Der Anfänger hatte somit lernen müssen, dass auch ein Anfängerprogramm zu viel sein konnte. Wenn das nur kein böses Omen war.
Bei dem Gedanken an einen Liveauftritt wurde mir noch immer schlecht. Ich stellte mir die Frage, wie man offen auf einer Bühne stehen und sich dennoch verstecken konnte? Mit einer Sonnenbrille vielleicht? Auf diese Idee waren schon andere vor mir gekommen und es sah immer ein wenig albern aus. Ich brauchte also eine bessere Lösung.
Da ich als Hörgeräteakustiker immer auch in engem Kontakt mit Augenoptikern stand, wusste ich, dass es allerhand Möglichkeiten an Kontaktlinsen gab. Und da ich diese Dinger aufgrund meiner Sehschwäche ohnehin brauchte, bot es sich an, vielleicht ein wenig mit gefärbten Linsen zu experimentieren. Dahinter könnte ich mich wenigsten ein bisschen verstecken, versuchte ich mir einzureden, und das würde mir vielleicht etwas von meiner Angst nehmen.
Mit einem Augenoptiker zusammen suchte ich mir dann ein paar weiße Linsen heraus. Und der Graf hatte somit seine neuen Kleider.
Graf Playmobil
Die Optik also stimmte – blieb also die Frage, wie es um den musikalischen Teil stand. Der Produzent erklärte, dass er sich meine Demos sehr oft angehört habe und das meiste so lassen würde. Bei einigen Liedern käme noch etwas Gitarrensound dazu, dann würde im Grunde alles passen. Ich bezweifelte, dass meine Demos tatsächlich gut genug wären, da ich gerade bei »Sage Ja!« erkennen konnte, wie gut eine Überarbeitung diesem Song schlussendlich getan hatte.
»Kein Problem«, meinte er. Von meinen Demos würde er gerne »Close Your Eyes«, »The Bad And The Beautiful«, «Skin«, »Discover The World« und »Stark« so lassen, wie sie seien. »My Bride Has Gone« würde einen anderen Gitarrensound bekommen und »Komm zu mir«, »Willenlos«, »Ikarus«, »Armageddon« und »Die Macht« würde er komplett neu aufnehmen.
Ich stimmte zu, schließlich war er der Produzent und er musste es wissen. Ich fand es grundsätzlich nett, wenn er mich lobte, glaubte im Grunde aber nicht, dass die Lieder aus meinem Hobby-Studio höchsten Ansprüchen genügen könnten.
Auch der Tourmanager war in seinen Vorbereitungen offenbar fortgeschritten. Clint und ich besuchten ihn in dessen Wohnung, die vollgestopft mit goldenen Schallplatten und signierten Gegenständen großer Stars war. Es schien also zu stimmen, was er bei unserem ersten Treffen herausposaunt hatte, und ich fragte mich, warum sich dieser Typ bei einer solchen Vorgeschichte – also Bands wie Genesis – mit einem Anfänger wie mir abgab. Wir saßen in der Küche, tranken Kaffee und beobachteten den aufgeregten Menschen, wie er auf dem Tisch mit kleinen Glühbirnchen, zerschnittenen Kartons und winzigen Bildern vor unseren Augen eine Miniaturbühne zusammenbaute. Ich kam mir vor wie bei der Sendung mit der Maus .
Im Hintergrund dieser Miniaturbühne konnte ich eine gespiegelte
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