Als Musik meine Sprache wurde - Die offizielle Autobiografie (German Edition)
Woche auch noch zu Platz 1 reichen würde oder wir sogar noch auf 2 oder 3 abrutschen könnten, war noch längst nicht ausgemacht. Es sollte also ein spannender Wettlauf werden, dessen Ausgang für uns noch völlig offen war.
Erstaunlicherweise veränderte sich mit dieser inoffiziellen Samstagsplatzierung plötzlich die Größe der von Universal gebuchten Hotelzimmer. War ich bis dahin in schönen, sauberen und bodenständigen Zimmern untergebracht, stand ich mit einem Mal in der prächtigen Suite eines Luxushotels. In Anbetracht der vielen Zimmer, die da in meiner Suite zu finden waren, fragte ich mich zunächst einmal, ob da vielleicht noch andere Menschen untergebracht sein würden. Aber da war niemand.
Der Obstkorb, der die Ausmaße eines Gemüsestandes auf einem Wochenmarkt einnahm, war echt, die exotischen Früchte, die bergeweise darin lagen, kein Plastik-Zierrat. Alles frisch, alles vom Feinsten – und alles nur für mich.
Im Hotelrestaurant gab es anstelle von Schnitzel mit Pommes hoc h komplizierte Fünf-Gänge-Menüs, die hübsch anzuschauen waren, aber nur leidlich satt machten. Wir riefen sofort bei der Plattenfirma an und forderten unsere alte Hotelkategorie zurück – mit einer verständlichen, bodenständigen Speisekarte und der Döner-Bude um die Ecke.
Ich war vielleicht im Begriff, die neue Nummer 1 in Deutschland zu werden, ansonsten aber weit davon entfernt, mich auch als Mensch und Hotelgast in einer Topposition zu fühlen. Einen Anruf mit der Bitte um normale Hotelzimmer dürften die Mitarbeiter unserer Plattenfirma nicht allzu oft bekommen haben – wir jedoch fühlten uns nach diesem »Downgrade« wieder deutlich wohler.
Ein Handy lernt fliegen
Die erste Verkaufswoche näherte sich dem Ende und die Hochrechnungen waren noch immer gut. Es schien in der Tat ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit dem Rap-Star zu werden – nur der Ausgang war noch völlig offen.
Natürlich hatte auch ich immer davon geträumt, einmal auf dem ersten Platz der Charts zu stehen, aber im Grunde war ich mit der Single-Platzierung schon sehr viel weiter gekommen, als ich es je vermutet hätte. Nun war es Montag geworden – der Tag, an dem die Zahlen bekannt werden sollten.
Ich hatte für diesen Abend einen Auftritt bei Big Brother und saß in meinem 15 Jahre alten grünen Opel Corsa auf dem Weg in das TV-Studio. Man hatte mir gesagt, dass die Plattenfirma gegen 16 Uhr von der Charts-Platzierung erfahren würde, und so schaute ich an diesem Nachmittag alle paar Sekunden auf mein Handy, das ja nun endlich klingeln müsste. Aber da kam nichts. Um 16 Uhr nicht, um 16.30 nicht – nicht um 17 Uhr und auch nicht um 17.30 Uhr. Die Befürchtung, dass etwas schiefgelaufen sein könnte oder wir am Ende doch noch abgestürzt wären, manifestierte sich immer mehr.
Irgendwann hatte ich es nicht mehr ausgehalten. Ich griff zu meinem Telefon und versuchte Markus anzurufen. Nichts. Bei Ollie war immerhin besetzt, aber schlauer war ich dadurch auch nicht geworden. Dann der nächste Versuch bei Ollie … nicht mehr besetzt … es klingelte … und er meldete sich. Endlich!
»Was ist los, Ollie? Wo stehen wir? Sag es mir ruhig, ich bin auf das Schlimmste gefasst!«
Ollie schien über meine Frage ein wenig verwundert zu sein und antwortete verwirrt: »Wie, du weißt nichts?«
Okay, Absturz. Der Traum war also ausgeträumt. Mich überkam umgehend eine tiefe Enttäuschung und Traurigkeit. Ich hatte insgeheim doch ein wenig auf die Nummer eins gehofft – seine Gegenfrage ließ jedoch etwas anderes befürchten. Ich war mir mit einem Mal sicher, dass wir es doch nicht geschafft hatten. Und das alles in meinem Wagen unterwegs zu den Big-Brother- Studios.
Dann plötzlich hörte ich erneut Ollies Stimme am anderen Ende der Leitung: »Ich gratuliere dir von ganzem Herzen zu deiner ersten Nummer eins!«
Das Telefon flog quer durchs Auto. In meinem Jubel, dieser grenzenlosen Freude hatte ich es wohl einfach weggepfeffert. Der Junge, der stotterte und dem kaum ein Mensch etwas zugetraut hatte, war die Nummer eins in Deutschland! Mit einem Mal kam alles hoch: die Demütigungen und Verletzungen – die Träume und die raue Wirklichkeit. Die unzähligen Versuche, etwas zu schaffen, und der lange, zähe und steinige Weg. Die kleinen Erfolge und die großen Niederlagen. Die Hoffnung und die Verzweiflung. Die Freunde und die Gegner. Dieser ewig währende Weg, der in vielen Momenten fast nur Hindernisse mit sich brachte und mitunter ein wenig
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