Als Musik meine Sprache wurde - Die offizielle Autobiografie (German Edition)
nach oben – bisweilen aber auch nach unten führte. Die vielen Glücksmomente und die Enttäuschungen. Der Applaus und die herbe Kritik. Die Familie, die Wegbegleiter und die Stolpersteine. Das Leben und der Tod …
Gibt es die richtigen Worte, die solche Momente beschreiben können? Glück, Freude, Stolz, Erleichterung, Jubel … es sind am Ende nur Buchstaben, die sich annähern können. Was sich nicht begreifen lässt, ist schwer in Worte zu fassen. In einem Augenblick wie diesem kommt alles zusammen – klare, zu Ende gedachte Gedanken indes können nicht entstehen.
Nummer eins! Ich hatte geschafft, woran kaum einer geglaubt hätte – und auch ich konnte es kaum fassen. Und doch kamen auch in diesem wunderschönen Augenblick sofort wieder leise Zweifel auf. Was hieß das überhaupt, Nummer eins? Wie viele verkaufte Platten waren das? Was, wenn ich nach einer Woche schon wieder weg wäre, weil zum Verkaufsstart vielleicht nur alte, treue Unheilig-Fans in den Plattenläden sind? Es waren die üblichen Gedanken, die mich seinerzeit ständig beschäftigten und die mir in manchen Momenten die Freude über das Erreichte ein wenig getrübt hatten.
Aber Sorgen machten sich an diesem Tag auch noch ein paar andere Menschen. Erst sehr viel später konnte ich erfahren, dass Markus und Ollie Todesängste ausgestanden hatten, bis ich mit meinem klapprigen Corsa endlich auf dem Big-Brother- Gelände in Köln angekommen war. Die beiden hatten sich ernsthaft Sorgen gemacht, dass ich vor lauter Freude und Jubel von der Straße abkommen und gegen einen Baum knallen könnte. Aber ich blieb in der Spur und nahm meine beiden Freunde fest in den Arm. Das, was wir da geschafft hatten, war uns nicht mehr zu nehmen …
Große Freiheit -Tour 1
Dieser erste Platz in den deutschen Album-Charts brachte mit einem Schlag die öffentliche Aufmerksamkeit, die ich mir im Vorfeld des Erscheinens von Große Freiheit immer ein wenig erträumt hatte. Plötzlich wollten alle wissen, wer das da war, der in Deutschland die Verkaufsliste anführte. Unheilig? Wer war das? Was machten die überhaupt für Musik? Wie sehen die aus? Die meisten Medienschaffenden kannten uns gar nicht und plötzlich stand da diese Band mit dem rätselhaften Namen ganz oben in den Charts. Es ging also los …
Zur gleichen Zeit etwa lief bei RTL 2 »Geboren um zu leben« im Hintergrund eines Trailers zu »Außergewöhnliche Menschen« und zu einem Spendenaufruf für das schlimme Erdbeben auf Haiti. Diese Platzierung im Fernsehen schien wiederum viele Menschen dazu zu bewegen, sich »Geboren um zu leben« bei ihren Radiostationen zu wünschen, und das ergab dann so etwas wie einen Dominoeffekt: Unheilig lief von Tag zu Tag immer häufiger in immer mehr deutschen Radioshows und wurde auf diesem Weg immer bekannter.
Mit einem Mal kamen Anfragen für Radiointerviews, dabei stand eigentlich das Highlight unserer Plattenveröffentlichung bevor: Die Große-Freiheit- Tour. Ein erstaunlicher, fast unmerklicher Prozess setzte ein. Obwohl ich viele Gründe gehabt hätte, im Vorfeld unserer Tour nervös zu sein – schließlich spielten wir in Hallen vor bis zu 3000 Zuschauern –, war ich derart in das ganze Geschehen rund um die Veröffentlichung verwickelt, dass ich im Grunde fast beiläufig in diese Tour schlitterte. Um dann sofort wieder feststellen zu können, wie unbeschreiblich schön es doch war, wieder vor Publikum zu spielen.
Und doch war ich wieder im Begriff, dieselben Fehler zu begehen, die 2008 schließlich zu meinem Zusammenbruch geführt hatten: Ich machte erneut alles gleichzeitig. Tour, TV- und Radiotermine, Presseinterviews, Autogrammstunden … ein Leben wie auf der Überholspur, nur dass sich dieses Mal keinerlei körperliche Erschöpfungssymptome zeigten. Der ganze Trubel machte vielmehr wahnsinnig Spaß!
Daneben war mir auch klar, dass ich in diesem Moment, in dem alle meine kühnsten Träume in Erfüllung zu gehen schienen, nicht sagen konnte: »Leute, das wird mir jetzt aber alles zu viel!« Gleichzeitig hatte ich aber auch höllisch Angst, dass ich irgendwann bei einem TV- oder Radiointerview vielleicht stottern könnte und alle Welt nur noch über meine Sprachprobleme und nicht mehr über die Musik berichten würde. Ich aber wollte als Musiker wahrgenommen werden und nicht als ein Stotterer, der auch singt. Aber: Nichts dergleichen passierte – ich hatte keine Hänger, alles klappte ganz hervorragend.
Schneller, höher, weiter
Im Mai 2010 war
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