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Als Oma bist du ja ganz nett: Wie meine Mutter ein Enkelkind bekam (German Edition)

Als Oma bist du ja ganz nett: Wie meine Mutter ein Enkelkind bekam (German Edition)

Titel: Als Oma bist du ja ganz nett: Wie meine Mutter ein Enkelkind bekam (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anja Maier , Hanna Maier
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Wie kann etwas Gutes so böse sein?
    Bis zu Sophies Geburt ging ich mit dem Problem relativ locker um. Is halt jetzt so, dachte ich immer. Es kommen bestimmt auch noch andere Zeiten, ich kriege das sicher noch unter Kontrolle, es tut ja keinem weh. Ich kenne viele, die Essstörungen haben, weil sie Angst davor haben zuzunehmen, das soll mir nicht auch passieren. Diese üblichen Floskeln blitzten durch meinen Kopf. Klar, immer in diesem kleinen Moment, kurz bevor ich die bösen Gedanken wieder zurück in ihre Schachtel gepresst hatte, bäumten sie sich noch einmal auf und zischten: »Hä, du hast doch auch eine Essstörung.« Ich pfiff dann ein sehr lautes Lied in meinem Kopf.
    Aber ein Kind im Arm bedeutet auch unglaublich viel Verantwortung. Sophie braucht gute Vorbilder, die ihr das Leben so zeigen, dass sie es als gut und lebenswert begreift. Und dazu gehört bestimmt nicht, dass die eigene Mutter unkontrolliert viel Zucker isst, jede Süßigkeit im Supermarkt kennt und mit geschlossenen Augen den Unterschied zwischen Nutella und Nuss-Nugat-Creme herausschmeckt. Aber soll ich jetzt ihretwegen nur noch Dinkelkringel essen? Bäh. Nein, Sophie hat eine menschliche Mutter verdient, die auch ein paar Schwächen hat, zu denen sie steht. Doch die richtige Balance zwischen Ehrlichkeit und Vorbildhaftigkeit zu finden ist gar nicht so leicht. Der Grat, auf dem ich wandle, ist glitzerpink mit Zuckerschaum am Rand, und ich schaue immer wieder in den Abgrund. Langsam muss ich mich ein bisschen sputen, weil es nicht mehr allzu lange dauern wird, bis bei meinem süßen Töchterchen die Bewusstseinsentwicklung einsetzt. Und wenn sie erst mal schnallt, wie viel Zucker ihre großartige Mutter wirklich isst, wird sie entweder schwer enttäuscht sein oder sich gleich ein Vorbild an mir nehmen: »Mama, warum darf ich das nicht, du hast doch vorhin auch einen Riegel gehabt.« »Mama, wenn ich fernsehen darf, sage ich Papa nicht, dass du heimlich seinen Osterhasen gegessen hast.« Ach herrje, das kann nicht gut ausgehen.
    Konsequent wäre es also, mich selbst zu therapieren. Und da ich eher so der Typ für radikale, aber dafür schnelle Intensivkuren bin, müsste ich komplett auf Zucker verzichten. Das habe ich schon ein paarmal gemacht. Dann so für eine oder zwei Wochen, und wenn man nach zwei Tagen erst mal runter ist, geht es auch bald. Aber diese zwei Tage sind eine echte Plackerei.
    Als wir noch in die Schule gingen, hatten wir entweder ein Schoko & Keks oder einen Milchriegel dabei. Die einzige Süßigkeit, die wir offiziell erlaubt bekamen unter der Woche. In jedem Fall war das immer das Erste, was ich in der kleinen Pause gegessen habe. Eine Zeit lang war es so schlimm mit meinem Verlangen, dass ich heimlich zu Hause im Keller Backkuvertüre gegessen habe. Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass mein Papa, unser Robin Hood der Lebensmittel, nicht mitbekommen hat, dass ständig Schoko & Keks gefehlt haben. Aber ein Papi, das weiß ich jetzt, überführt seine geliebte Tochter nicht des Zuckerdiebstahls. Er lässt sie mit dem guten Gefühl im Mund und ihrem kleinen Geheimnis klarkommen, in der Hoffnung, dass sie selbst versteht, wie absurd das ist, was sie da macht.
    Mein Vater hat bis heute selbst ein kleines Süßigkeitenreservoir. Ich weiß auch, wo das ist, und natürlich – selbstverständlich – wusste ich auch damals, wo das war. Aber er hat leider keinen guten Geschmack. Er steht nur auf Gummizeug und Lakritze.
    Nein, nein, nein. So geht das nicht weiter, Hanna Maier. Du hast eine Essstörung, und zu der musst du stehen. Du weißt, wie schlimm so eine Abhängigkeit ist. Abhängigkeiten machen unglücklich, unflexibel und dumm. Ich muss es schaffen, dass Sophie ein ausgeglichenes Verhältnis zu Süßkram bekommt. Deshalb habe ich überlegt, Sophie dosiert, aber leichtherzig an das weiße Gold heranzuführen. Wenn sie es von Anfang an nicht als Besonderheit empfindet, sondern zu einem leckeren, aber nicht essenziellen Teil ihres Lebens kürt, könnte sie so ein Verhältnis dazu bekommen, wie Oscar es hat. Er macht sich nicht viel aus Süßigkeiten. Also bekommt Sophie süße Sachen mit in den Kindergarten. Und manchmal gibt’s vor dem Schlafengehen ein Betthupferl. Das ist auf jeden Fall schon liberaler, als meine Eltern es waren. Gern geschehen, liebe Sophie.

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