Als Oma bist du ja ganz nett: Wie meine Mutter ein Enkelkind bekam (German Edition)
gefordert. Hanna war in der Uni und hat da allerlei Kluges über Europa gelernt. Nun ist es nachmittags um halb vier. Wir treffen uns, um gemeinsam den örtlichen »Muttitreff« aufzusuchen, »Hippie- und Vollzeitmuttis garantiert«, hat Hanna mir per SMS versprochen.
Ich freue mich drauf. Diese nachmittäglichen Fortgepflanzten-Powwows, daran kann ich mich gut erinnern, sind sowohl wichtig als auch unterhaltsam. Dort, in den Buggyburgen der Großstädte, werden Kinderarztadressen gedealt und Tupperdosen mit Apfelschnitzen herumgereicht. Es wird sich kräftig umarmt und dabei ganz genau registriert, ob eine Mitmutti einen neuen Kinderwagen hat oder wie klein Ida es wieder mal geschafft hat, sich dermaßen einzusauen. So was macht Spaß.
Als Hanna und ich uns treffen, sieht es erst mal gar nicht nach Spaß aus. Sophie quietscht unzufrieden in ihrem Kinderwagen herum. Nichts passt ihr: die Sonne zu sonnig, die Schuhe zu zu, und wo bleibt verdammt noch mal das Essen? Bei der Tagesmutter hat Mademoiselle heute den Mittagsschlaf ausfallen lassen, entsprechend dünn sind ihre Nerven, und entsprechend heftig reibt sie sich die Augen und zupft an ihren Ohren herum.
Auch ihre Mutter schaut grimmig. Ein müdes Kind und eine erwartungsfrohe Großmutter – das war nicht das, was sie sich von diesem Nachmittag versprochen hatte. Wie schön geordnet war es doch dagegen gerade eben noch in der Uni! Schnell schaufelt sie Sophie ein Gläschen rein, schon hört das Gegreine auf, wir kommen alle mal ein bisschen runter – und es kann losgehen in den Park. Zum Muttitreff.
Auf der riesigen Wiese haben sich Dutzende Buggyburgen gebildet. Große Heerlager aus Fleecedecken, auf denen Erwachsene und Kinder lagern, drum herum markieren Kinderwagen jeder Größe und Preisklasse den Einzugsbereich. Unsere Burg hat sich unter einer sehr alten Eiche gebildet. Drei Mütter, ein Vater, drei Kinder sind schon da, jetzt kommt noch Hanna mit Sophie und mir im Schlepptau dazu. Herzliche, feste Umarmung, taxierende Blicke hinter Sonnenbrillen. Sophie – endlich aus ihrem Wagen befreit – inspiziert erst mal das Spielzeugangebot. Es gibt bunte Becher, die ich von nun an anderthalb Stunden lang stur zum Turm errichten werde, um ihn immer aufs Neue von einer begeisterten Sophie einreißen zu lassen.
Die Frauen plaudern. Man redet über die Kinder, bestaunt den neuen Zahn von Edgar, und wenn die schon etwas größere Luise der kleinen Paula die Schippe entwindet, lachen alle verständnissinnig. Nach den international gültigen Buddelkastenregeln muss Luises Mama ihrer Tochter ansatzweise die Schippe abnehmen, während Paulas Mutter »Ach, ist schon okay« zu sagen hat. Paula hingegen findet das gar nicht okay, fängt an zu wimmern und bekommt zum Trost einen Haferkeks. Alles normal also.
Zwischendurch wird Hanna ein bisschen ausgefragt. Wie es so läuft mit der Uni? Und ach, Sophie geht jetzt doch schon zur Tagesmutter? Wenn du mal Hilfe brauchst, sag Bescheid, sagt die eine Mutti. Eine andere betrachtet versonnen interessiert das Glas Vollkorn-Obst-Brei, von dem Sophie ein paar Löffel eingeholfen bekommt. Sie spricht es nicht aus – aber an ihrem Gesicht sehe ich: Fertiggläschen scheinen Lebensmittel außerhalb ihrer Vorstellungskraft zu sein.
Hanna tut mir ein bisschen leid. Sie könnte ja jetzt eine von diesen relaxten Vollzeitmüttern sein. Könnte mit Sophie zu Hause bleiben und mit ihr die Welt erkunden. Sie könnte Sophies Mahlzeiten täglich frisch und vollwertig zubereiten. Sie könnte mit anderen Frauen auf bunten Decken im Park sitzen und einfach mal schauen, was dieser, der nächste und der übernächste Tag so bringen. Aber so, wie sie lebt, ist das alles nicht zu haben. Sie ist Vollzeitstudentin mit Kind. Wenig Schlaf, viel Planung, Beziehung pflegen, Kind lieben, improvisieren, cool bleiben … Hätte sie nicht vielleicht doch lieber ein oder anderthalb Jährchen zu Hause mit Sophie verbringen sollen?
Im Internet kursieren ja Agitprop-Kampagnen für Vollzeitmütter. »Genieß diesen Tag mit deinem Kind« steht neben einem Mutter-Kind-Foto, das sich nur durch die moderne Kleidung der Dargestellten von Mutterkreuz-Propaganda unterscheidet. Ja, genieß den Tag – »denn schon morgen werden deine Kinder älter sein als heute« steht da. »Betrachte und beschnuppere sie, berühre sie und schau in ihre Augen. Genieße diesen Tag, Mama. Er wird schneller vorbei sein, als du denkst.«
Man findet derlei Aufforderungen zum Muttijob auf
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