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Als schliefe sie

Als schliefe sie

Titel: Als schliefe sie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elias Khoury
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und her, drehte sich schließlich auf die rechte Seite und tauchte erneut in den Schlaf ein.
    Mansûr wusste nicht, wie er mit ihr umgehen sollte. Seit der Ermordung seines Bruders hatte sich ihr Tagesablauf völlig verändert. Sie stand morgens nicht mehr früh auf. Wenn er zur Arbeit ging, schlief sie noch. Und wenn er heimkam, war sie unterwegs. Suchen durfte er sie, wie er gelernt hatte, auf keinen Fall, weil sie sich sonst wie ein kleines Mädchen behandelt fühlte und ihm Vorhaltungen machte. Also blieb er zu Hause und wartete, von Sorgen gepeinigt, bis sie von selbst auftauchte. Sie kam herein, ging, als sei nichts gewesen, geradewegs in die Küche, servierte ihm das Essen und nahm Platz, ohne einen Bissen zu essen oder einen Ton von sich zu geben.
    Stellte er ihr auch nur eine Frage, dann stiegen ihr sofort die Tränen in die Augen. Sie sei müde und wolle schlafen, war die einzige Antwort, die er bekam.
    »Aber wohin gehst du jeden Tag? Ich bitte dich, Milia, das ist nicht gut für das Kind. Du stehst kurz vor der Geburt, und der Arzt hat gesagt, dass du Ruhe brauchst.«
    »Aber ich gehe doch dem Kind zuliebe aus.«
    »Was heißt das?«
    »Was soll ich noch sagen? Du hast die Sache nicht in der Hand. Ich möchte nicht nach Jaffa. Ich will hierbleiben.«
    »Aber du weißt, weshalb wir gehen müssen!«
    »Ich weiß es und weiß es nicht. Aber ich habe Angst um meinen Sohn.«
    »Du redest wie eine Irre. Du musst zum Arzt gehen.«
    Er hob das Glas, schaute ihr in die Augen und sagte:

    »Müde schaut sie in den Tag,
    als ob sie krank darniederlag.
    Doch ihr Wimpernschlag und Augenblick
    wandeln unser Leid in großes Glück.

    Du hast Recht. Es ist meine Schuld. Ich habe mich verändert. Und du musst es ausbaden. Aber ›wir gehen einen Schritt, der uns bestimmt ist. Und wem ein Schritt bestimmt ist, der geht ihn auch.‹ Lass es uns machen wie am Anfang. Was ist eigentlich mit Mutters Milch? Ich hätte einmal wieder Appetit darauf. Ich wünsche mir morgen gekochten Joghurt zum Essen. Dazu genehmigen wir uns ein Gläschen und rezitieren Gedichte wie früher.«
    Er streckte die Hand aus, wollte ihr über den Bauch streichen und das Kind fühlen.
    »Nein, nicht!«, rief sie und wich zurück.
    »Ich will doch nur seine Stimme mit der Hand hören«, sagte Mansûr.
    Mansûr verstand nicht, warum sie Angst hatte. Er hörte sie nachts schreien. Hörte, dass sie nach Hause wollte, und war bereit, alles in die Wege zu leiten, damit sie nach Beirut fahren konnte. Doch sie lehnte ab. Sie sagte, dass sie nicht nach Beirut gehen würde. Dass sie nach Nazareth gekommen sei, um hier zu bleiben. Dass sie sich vor ihm fürchte, weil er ihre Träume höre. Denn die Träume eines anderen Menschen zu hören bedeute, dass man ihn beherrsche.
    Seit Amîns Tod war die Mutter wie ausgewechselt. Von einem Tag auf den anderen verließ sie sich in allem auf Mansûr. Sie erkenne seinen Bruder in ihm, sagte sie. Ihr sei vorher nie aufgefallen, dass ihre beiden Söhne sich glichen wie zwei Tränen. Hatte sie das wirklich so ausgedrückt? Wohl kaum. Solche Vergleiche passten eher zu Milia. Milia nämlich drückte sich, besonders wenn sie soeben aus dem Schlaf erwacht war, zart aus. Worte seien wie Tau, sagte sie. Tau trete in dem Augenblick auf, der Nacht und Tag trenne. Und mit dem Aroma dieses Augenblicks am Gaumen erwache sie. Mansur liebte es, sie morgens zu küssen, weil ihre Lippen, so schwärmte er, dann nach zartem Basilikum schmeckten. Frisch und noch schlaftrunken war Milias Redestil am Morgen. Solch eine Sprache war Mansûr bisher nur in der alten arabischen Poesie begegnet.
    Warum aber verwechselte er die Worte seiner Mutter mit denen von Milia?
    Etwa, weil Männer in ihrem Leben nur eine einzige Frau, ihre Mutter, lieben und immerzu auf der Suche nach ihr sind? Das traf auf Mansûr nicht zu. Er finde es abscheulich, wie seine Mutter Amîn vergöttere, sagte er zu Milia. Er begreife nicht, wie sie es geschafft habe, sowohl im Haus als auch in der Firma zum Dreh- und Angelpunkt zu werden. Amîns Ehefrau, Asma, hatte im Haus den Status eines Gastes. Nichts dufte sie machen. Und hätte Gott Frauenbrüste nicht zur Nahrungsquelle für die Nachkommenschaft bestimmt, hätte sie gar keine Aufgabe gehabt.
    Dann aber starb Amîn, und Nadschîba verlor den Halt. Die Strenge wich aus ihren Augen. Eine ungekannte Angst erfasste sie. Asma dagegen erging es anders. Ehemals in sich gekehrt und, in scheue Zurückhaltung gehüllt, der Umwelt kaum

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