Als schliefe sie
tun. Im Übrigen bin ich ihr auf der Hochzeit zum ersten Mal begegnet. Nein, die Nonne hat damit nichts zu tun. Ich habe mich auf den ersten Blick in dich verliebt. Und Schluss.«
Milia schloss die Augen, öffnete sie erst wieder, als sie zu ertrinken drohte. Sie drehte sich zu Mansûr. Aber er lag nicht neben ihr im Bett.
»Das Wasser«, schrie sie.
Plötzlich sah sie ihn. Er stieg aus dem Bett, half ihr in die Kleider und brachte sie ins Krankenhaus.
Die dritte Nacht
Milia schloss die Augen und sah.
Alles war weiß. Die Stimme des Arztes drang wie in Watte gebettet an ihr Ohr.
Zwei Krankenschwestern waren da. Die eine hielt Milias rechte Hand. Die andere stand bei ihren gespreizt aufgestellten Beinen. Die eine war alt, die andere jung. Die beiden Frauen glichen einander wie zwei Wassertropfen.
Die eine war klein, die andere war auch klein. Die eine hatte einen Buckel und O-Beine, die andere hatte ebenfalls einen Buckel und O-Beine.
Was hatte Wadî’a hier zu suchen?
Mutter und Tochter wie Zwillinge. Sie standen bei Milia und erteilten ihr Anweisungen. Die gleiche Stimme. Mal kam sie von rechts, mal von unten. Die Schwangere hörte eine Art Wellenrauschen aus ihrem Bauch aufsteigen. Das Kind, das sich – bereit, auf die Welt zu kommen – kopfunter gedreht hatte, schien ein letztes Mal die Sprache der Gebärmutter zu sprechen, bevor es diese für immer vergessen würde. Milia lauschte, wollte dem Kind sagen, dass es sich nicht zu fürchten brauche.
Die beiden Krankenschwestern klangen energisch. Hinter ihrer Stimme sah Milia die Konturen einer Person, umhüllt von Nebel. Der Arzt. Nein, das war Herr Masâbki. Was hatten er und seine beiden Wadî’as hier zu suchen?
Herr Masâbki am Ofen, reibt sich die Hände vor dem Feuer, kneift die Augen zusammen, als sei er der Bräutigam. Die zwei Frauen, Mutter und Tochter, stehen da, warten auf sein Zeichen.
Milia erinnert sich, dass sie geschlafen hat. Erinnert sich, dass sie »Wasser« gerufen hat und dann von Nebel eingehüllt wurde.
»Mansûr, ich will nicht nach Schtûra, ich will nach Hause.«
Eine brennende Kerze in Händen, geht Mansûr dem Auto voran.
»Wie kommst du darauf, dass ich eine Kerze dabeihatte? Ja, sicher. Ich bin ausgestiegen und vor dem Auto hergegangen. Hätte ich das nämlich nicht getan, wären wir nie zum Hotel gekommen. Aber wer läuft schon mit einer Kerze durch Wind, Schnee und Kälte?«
Milia will nicht mit ihm darüber diskutieren. Sie ist es leid, Erinnerungen richtigzustellen. »Erinnerungen sind nicht richtigzustellen. Du hast es so in Erinnerung. Ich anders. Letzten Endes ist es völlig egal. Aber nein, du willst, dass ich mich an alles genau so erinnere wie du. Schön, sollst du haben! Genug jetzt. Bitte, sag dem Fahrer, dass er sich beeilen soll. Ich bin müde.«
Milia schläft. Das Auto kämpft sich durch den Schneesturm auf dem Dahr al-Baidar. Der Fahrer fleht sie an, ihm zu helfen und den »Übergeschnappten« zur Umkehr nach Beirut zu bewegen.
»Was erlauben Sie sich, so zu reden?«
»Der Bräutigam ist übergeschnappt, Madame! Bitte helfen Sie mir. Was für ein Schlamassel! Keinen Meter fahre ich weiter. Wer sagt überhaupt, dass Frischverheiratete unbedingt nach Schtûra müssen? Helfen Sie mir, bitte!«
Was sagt dieser Mann?
»Gott, wo bin ich? Ich will nach Hause. Mansûr, wo bist du?«
Vor der Badezimmertür kniend, hört Milia das Röcheln. Sie klopft, fleht Mansûr an, doch zu öffnen, sagt, sie würde Herrn Masâbki bitten, den Arzt zu holen.
Mansûr wehrt ab.
»Warte im Bett auf mich«, krächzt er unter Husten. »Das kommt von dem Käse. Iss bloß keinen Käse. Der ist schlecht. Leg dich schlafen. Ich komme gleich nach. Keine Bange.«
Sie sagt es zwar nicht. Aber sie fürchtet sich. Sie hatte geträumt, dass ihr Traum anders ausfallen würde.
»Die Ehe«, sagt Nadschîb, »macht aus der Frau ein Stück Teig. Ich will dich kneten und backen. Komm her. Noch näher.«
Sie sind im Garten. Die abendlichen Schatten verfangen sich in den Blüten der beiden Silberakazien, die ihre Äste über den Eingang strecken.
»Ich mag Akazienblüten. Weißt du, warum diese Bäume auch Verführung genannt werden? Weil sie wie Frauen sind. Sie sind verführerisch und rauben dem Mann den Verstand.«
. . .
»Weil sie außen weiß und innen gelb sind. Und weil sie zwei Düfte haben. Jede Farbe riecht nämlich anders. Und zusammen sind die beiden Düfte die reinste Verführung. Wie findest du diese Erklärung?«
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