Als schliefe sie
kühlen Zimmer aus. Sie zog ein blaues Nachthemd an, schlüpfte ins frisch weiß bezogene Bett, schloss die Augen und bat Mûsa zu kommen.
Sie brauche ihn und möchte ihm eine Geschichte erzählen, sagte sie. Dass sie diese von dem libanesischen Mönch erfahren hatte, wagte sie nicht zu offenbaren. Sicher war sie sich keiner Sache mehr. Der Mönch hatte sich in Mîlânas langem schwarzem Gewand verflüchtigt. Und die Nonne konnte sie nicht ausstehen, wollte sie daher nicht in ihrer Nähe haben.
Mansûr saß allein im dâr und wartete auf jenes erste Anzeichen, von dem der Arzt gesprochen hatte. Milia lag auf die linke Seite gedreht im Bett. Ihr Bauch sei inzwischen so groß wie die Welt, sagte sie zu Mûsa. Mûsa war nicht da. Aber sie wünschte ihn sich herbei. Sie wollte sich die Geschichte von der Seele reden, fand aber keine Ohren zum Zuhören. Dass das, was sie gesehen hatte, die Wirklichkeit war, musste sie nicht mehr beweisen. Sie war erschöpft und bat ihren kleinen Bruder zu kommen. Denn er hatte ihr immer geglaubt. Liebevoll besorgt sah er sie an und sog alles, was sie sagte, förmlich in sich auf. Selbst in jenen schwierigen Zeiten, als Nadschîb verschwand und die Familie zerbrach, hatte er als Einziger den Kummer in ihren Augen wahrgenommen und jedes Wort geglaubt, ob sie es nun ausgesprochen hatte oder nicht. Milia hatte sich keinem gegenüber zu dieser seltsamen Liebesgeschichte geäußert. Die Mutter gab ihr die Schuld.
»Warum hast du ihn dir durch die Lappen gehen lassen? Das ist bereits das zweite Mal, Kind! Wadî’ war geizig, das kann man ja noch nachvollziehen. Aber was war denn jetzt an dem auszusetzen? Wie soll ich denn noch einen Bräutigam für dich auftreiben?«
Milia war damals erkrankt. Seltsame Kopfschmerzen, für die es keine Erklärung gab, machten ihr zu schaffen. Alle waren ratlos. Zur Linderung der Schmerzen band sie sich ein feuchtes Tuch um den Kopf. Später legte sie rohe Kartoffelscheiben auf die Stirn und wickelte sich dann erst das feuchtes Tuch um.
Warum war ihr die Sache mit den Stimmen entfallen? Warum wusste sie nichts mehr von den Stimmen, die sich in ihren Ohren eingenistet und ihr die Sprache verschlagen hatten? Warum hatte sie die kurze Ohnmacht verdrängt, aus der Gott sie auf unerklärliche Weise rettete?
Milia sei, wie es hieß, allein im Haus gewesen, als sie umfiel. Sie stand in der Küche am Petroleumkocher und rührte einen großen Topf voll Joghurt. Mûsa kam als Erster heim. Er fand sie rücklings am Boden. Es duftete im ganzen Haus nach Kubba, gekocht in Joghurt und Koriander. Er sprühte ihr Orangenblütenwasser ins Gesicht, um sie zu wecken. Doch sie schien tief und fest zu schlafen. Also trug er sie ins Bett und rannte den Arzt holen. Als er mit Doktor Naqfûr eintraf, war Milia wieder bei Bewusstsein und wurde von der Nonne versorgt. Das messingne Weihrauchfässchen schwenkend und Gebete murmelnd, kreiste Schwester Mîlâna um Milias Bett.
Der Arzt hat nichts getan. Er küsste der Nonne die Hand und ließ sich von ihr über den Zustand der Kranken aufklären. Alles sei in bester Ordnung, erfuhr er und ging wieder. Die Nonne beugte sich zu Milia hinab und flüsterte ihr etwas ins Ohr. Zwei Tage später tauchte Mansûr auf, und die Liebesgeschichte begann, die Milia in die Ehe führte.
Milia habe in der Nacht, so hieß es, jenen Traum gesehen, der ihr künftiges Leben bestimmte. Wann hatte sie die blaue Frau gesehen? Als sie in der Küche am Boden oder als sie, von Weihrauch eingenebelt, im Bett lag? War vielleicht das Ganze sogar von der Nonne eingefädelt worden?
Es war Liebe auf den ersten Blick, sollte Mansûr seiner Mutter und seinem Bruder sagen. Inwiefern Sonja Rahhâl die Sache eingefädelt hatte, war unwesentlich. Nach einem anstrengenden Tag auf dem Tawîla-Markt, wo er geeignete Stoffe für seinen neuen Laden in Nazareth suchte, hatte Mansûr die Einladung des befreundeten Händlers Samîr Rahhâl zum Abendessen angenommen. Die Ehefrau des Gastgebers, Frau Sonja, plauderte mit Mansûr ausgiebig über das Heiraten, legte ihm dringend ans Herz, diesen Schritt zu tun, und schickte ihn in den Garten hinaus, damit er das schönste Mädchen in Beirut sähe.
So hat die Geschichte angefangen. Milia stand inmitten blühender Mandelzweige. Ihr milchiges Weiß verschmolz mit dem Weiß der Mandelblüten. Und das Herz des Mannes aus Nazareth fing Feuer.
»Es spielt keine Rolle, ob Sonja mit der Nonne befreundet war. Die Nonne hatte nichts damit zu
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